Vaterschaftsurlaub: Sinnvoll, aber überschätzt
Eine Initiative fordert die Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs von 20 Tagen. Zuvor hat das Parlament eine – weniger weitgehende – Forderung verworfen. Als Ressortleiter Personal und Vater nimmt Synodalrat Raphael Meyer Stellung und äussert zu dieser Thematik einige Gedanken.
Dem ablehnenden Entscheid des Nationalrats folgte eine emotionale Debatte über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im schweizerischen Arbeitsmarkt. Dabei wurde dem Vaterschaftsurlaub aus meiner Sicht aber eine zu wichtige Rolle eingeräumt. Damit Sie mich richtig verstehen, die Gewährung von vier Wochen bezahltem Urlaub im ersten Lebensjahr des Kindes ist ein sympathisches Anliegen und kann frischgebackenen Eltern den Einstieg in das neue Leben als Familie durchaus erleichtern. Trotzdem halte ich seine Wirkung für überschätzt.
Bevor ich die Einführung eines vierwöchigen Vaterschaftsurlaubs für alle Arbeitnehmer unterstützen kann, müssen für mich noch einige Fragen beantwortet werden. Gewisse Einwände der Gegner sind nämlich durchaus begründet.
So werden Grossunternehmen wohl problemlos in der Lage sein, einen mehrwöchigen Vaterschaftsurlaub zu finanzieren und zu organisieren. KMU mit nur einer Handvoll Mitarbeitenden sind hingegen auf flexible Modelle angewiesen.
Wenn die Initianten ihrem Anliegen zum Durchbruch verhelfen wollen, müssen sie sich mit diesen betrieblichen Realitäten auseinandersetzen und ihren Kritikern Antworten geben.
Gleichberechtigung in der Familie hilft beim Aufbau der Beziehung zum Kind
Als ich vor einem Jahr zum ersten Mal Vater geworden bin, habe ich in den ersten Wochen nach der Geburt sehr viel Zeit zu Hause verbracht und meine Frau beim Schoppen geben, Windeln wechseln und der Hausarbeit unterstützt. Ich habe diese Zeit sehr schön in Erinnerung und ich würde dies auch bei einem zweiten Kind so machen. Diese Vaterpflichten hören aber nicht nach einer vergleichsweise kurzen „ Eingewöhn- und Kennenlernphase “ auf. Ich glaube auch nicht, dass meine Anwesenheit in den ersten vier Wochen für die Bindung entscheidend war, die ich heute zu meinem Sohn habe.
Ein Kind kann nur dann eine tiefe Beziehung zu beiden Elternteilen entwickeln, wenn es beide Personen auch regelmässig im Alltag um sich hat.
Für uns als Eltern bedeutete das, dass wir Erwerbs- und Familienarbeit sinnvoll aufteilen. In der Praxis bedeutet das, dass wir beide Teilzeit arbeiten und es in der Hausarbeit keine ausschliesslichen Zuständigkeiten gibt. Stattdessen verteilen wir die Aufgaben situativ und flexibel. In anstrengenden Nächten, in denen unser kleiner Mann von Krämpfen geplagt durchgeschrien hat, habe ich die nächtlichen Wanderungen durch das Wohnzimmer übernommen, wenn meine Frau am nächsten Tag früh in der Schule sein musste. Stand mir auf der anderen Seite eine schwierige Gerichtsverhandlung bevor, übernahm meine Frau die kurze Nacht.
Das eine tun und das andere nicht lassen
Wer als Arbeitgeber seinen Angestellten von Beginn weg den Aufbau einer engen Beziehung zu ihren Kindern erleichtern möchte, sollte anderen Massnahmen gegenüber einem Vaterschaftsurlaub Priorität einräumen. Als Katholische Kirche im Kanton Zürich gehen wir diesbezüglich schon mit gutem Beispiel voran. Wir haben nicht nur einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub, sondern auch die weitverbreitete Akzeptanz von Teilzeitpensen. Insbesondere als Mann muss ich mir wenig Sorgen machen, nicht ernst genommen zu werden, wenn ich mein Pensum reduzieren möchte, um mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen und meiner Frau die Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern. In anderen Branchen herrschen diesbezüglich noch ganz andere Verhältnisse.
Flexible Arbeitszeiten – auch im „Home Office“
Neben der Teilzeitarbeit sind auch noch weitere Massnahmen wirkungsvoll und hilfreich bei der Unterstützung berufstätiger Eltern. Ich denke dabei an flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit für Homeoffice, ausreichende Ferien oder das grundsätzliche Verständnis auf Seiten des Arbeitgebers für die Widrigkeiten, die im Alltag mit Kindern auftreten können. In einigen Punkten ist die Katholische Kirche im Kanton Zürich als Arbeitgeberin bereits sehr weit fortgeschritten, an anderer Stelle besteht noch Luft nach oben. Doch auch bei uns müssen dabei die jeweiligen betrieblichen Verhältnisse berücksichtigt werden.
Wichtig ist in jedem Fall, dass beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – Verständnis für die Seite des anderen zeigen.
Flexible und langfristig wirksame Massnahmen bevorzugen
Die Einführung eines vierwöchigen Vaterschaftsurlaubs für alle Arbeitnehmer ist sicher prüfenswert. er ist aber kein Allheilmittel zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wichtiger sind langfristig wirksame Massnahmen, welche Eltern nicht nur in den ersten vier Wochen nach der Geburt bzw. im ersten Lebensjahr des Kindes helfen.
Raphael Meyer ist seit letzten Juni Mitglied im Synodalrat und betreut das Ressort Personal. Er ist Rechtsanwalt in Zürich und Mitglied des Präsidiums der CVP Zürich. Mit seiner Frau und Sohn lebt er in Langnau am Albis.
Ich gehe mit dem Autor einig, dass für die Stärkung der Familie und die Gleichberechtigung auch an diesem Ort verschiedene Massnahmen wohl eher Zielführend wären als nur gerade ein verhältnismässig kurzer Vaterschaftsurlaub. Aber gerade dieser wäre doch zumindest mal ein Anfang. Bei der Geburt unserer beider Kinder hat sich mein Mann jeweils zwei Wochen Ferien genommen - nicht nur um beim Kind zu sein, sondern auch um mich zu entlasten. Ich war und bin für diese Unterstützung dankbar und ich begrüsse die im Artikel geschilderte Arbeitsteilung und die Tatsache, dass der Autor und seine Frau beide Teilzeit arbeiten, denn dies ist immer noch zu selten der Fall.
Gestolpert bin ich dann allerdings über folgenden Satz: "Insbesondere als Mann muss ich mir wenig Sorgen machen, nicht ernst genommen zu werden, wenn ich mein Pensum reduzieren möchte, um mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen und meiner Frau die Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern."
Es geht mir dabei nicht um Sorgen, ums Reduzieren von Pensen, um Zeit mit der Familie - es geht mir um die "Rückkehr ins Berufsleben". Bin ich denn als Frau in dem Moment wo ich Mutter werde und von Gesetzes wegen für 8 Wochen nicht arbeiten darf tatsächlich aus dem Berufsleben ausgestiegen? Und weshalb brauche ich dazu dann die Unterstüzung meines Mannes? Ein Manager, der sich für mehrere Monate ins Sabbatical verabschiedet, würde wohl kaum um Unterstützung bitten wenn er seine angestammte Arbeit wieder aufnimmt - dabei ist er wohl viel mehr "weg vom Fenster" was das berufliche Umfeld angeht, als dass es eine Frau im sogenannten Mutterschaftsurlaub (was für ein Wort - dass die Zeit mit Urlaub so gar nichts zu tun hat, kann mir wohl jede junge Familie bestätigen) jemals wäre.
Der Ausdruck "Rückkehr ins Berufsleben" für eine junge Mutter ist genau betrachtet sogar ziemlich diskriminierend und zeigt - ich muss es so deutlich schreiben - einen versteckten Sexismus, der noch immer in unseren Köpfen sitzt. Er impliziert, dass eine Mutter nach der Geburt des Kindes offenbar ihre beruflichen Fertigkeiten und Fähigkeiten verliert, vielleicht sogar verdummt, weil sie sich nur noch um das Kind kümmert. Und dass die Frau immer und immer wieder auf Hilfe angewiesen ist, weil sie offenbar nichts alleine auf die Reihe bringt.
Ich aber sehe mich nicht als hilfebedürftig. Und ich bin der Meinung, dass es im 21. Jahrhundert nun endlich an der Zeit ist, die Frau als das zu sehen, was sie ist: ein gleichberechtigtes Geschöpf Gottes und dem Mann ebenbürtig. Nicht hilflos. Nicht dumm. Und nicht weniger wert.
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