Rechtlich geklärt – ethisch ein Schritt in die falsche Richtung!
Am 1. August ist in der Schweiz die Verordnung in Kraft getreten, nach welcher Einkaufszentren an Sonntagen unter gewissen Bedingungen ohne spezielle Bewilligungen geöffnet sein können. Das ist das ein weiterer Angriff auf die Sonntagsruhe. Hier unterwirft sich die Politik einer Wirtschaft, die auf Kosten menschlicher Bedürfnisse funktioniert.
Konsum! Markt! Wettbewerb!
Die bewilligungsfreie Sonntagsarbeit ab 1. August ist ein Zeichen dafür, welche Werte wirklich federführend sind in der politischen Gestaltung der Arbeitswelt: Konsum, Markt, Wettbewerb! Menschen haben sich diesem Regime zu unterwerfen – sei es als Konsumierende oder als Arbeitende.
In der Tradition einer christlichen Ethik und der Katholischen Soziallehre ist klar, dass die Arbeit und die Wirtschaft für den Menschen da sein muss! Hier ist der Sonntag als Ruhetag ein wert-voller Unterbruch: er gibt nicht nur die Möglichkeit zur religiösen Praxis (Sinnfragen), sondern stoppt für eine kurze Zeit das Hamsterrad von Leistung, Umsatz, Konsum und Erfolgszwang.
Der Sonntag gibt dem Leben einen andern Rhythmus und bietet Möglichkeiten für das gemeinschaftliche Zusammensein.
Wenig Gewinner, viele Verlierer
Der Bundesrat macht mit der veränderten Verordnung klar, dass die künftigen Tempel (Kirchen?) dem Konsum geweiht sind. Damit unterwirft sich die Politik den Kräften einer Wirtschaft, die auf Kosten von Lebensqualität und menschlichen Bedürfnissen funktioniert. Eine Wirtschaft, die wenige Gewinner, aber sehr viele Verlierer zurücklässt.
In dieser Zeit, in der viele Menschen über zunehmenden Druck in fast allen Arbeitsbereichen klagen, setzt der Bundesrat mit dieser Verordnungsänderung ein Zeichen gegen die Menschen!
Die von der Verordnung gesetzten Rahmenbedingungen mögen die gröbsten Ausnützungsversuche zwar mildern (etwa beim Lohn), doch die Richtung ist klar. Die wohlwollenden Äusserungen zum (baldigen) Gesuch aus Landquart senden jedoch Signale, dass diese Rahmenbedingungen kaum ernsthaft eingehalten werden wollen.
Ich bedaure diese Entwicklung ausserordentlich. Noch vermehrt sind Kirchen und konsumkritische Kräfte gefordert, für ihre Wertvorstellungen von Lebensqualität, Solidarität und Sinnfindung einzustehen.
Dieser Beitrag ist am 24.7.15 als Gastkommentar auf kath.ch erschienen: http://www.kath.ch/newsd/tessin-erstes-einkaufszentrum-darf-sonntags-ohne-bewilligung-offen-sein/
Die in regelmässigen Abständen wiederholte Kritik am Wettbewerb der Wirtschaft ausgerechnet von staatlich anerkannten Kirchen mutet befremdlich an. Diesen Kirchen bleibt dank staatlicher Gesetzgebung jeder Wettbewerb erspart. Sie geniesst finanziell eine gesetzlich künstlich aufrecht erhaltene Monopolstellung, welche es sämtlichen anderen religiösen und säkularen Sinnressourcen-Spendern und gemeinnützigen Organisationen mit ebenso ehrenamtlich tätigen Menschen unerhört erschwert, ja praktisch verunmöglicht, neben den Kirchen erkannt, anerkannt und gleichwertig gefördert zu finden. Diese Kirchen können im Vergleich zur Wirtschaft zum Jahresende entspannt das Fest der Liebe feiern, wohlwissend, dass ihr aufgrund staatlicher Gesetzgebung von Kirchensteuern für juristische Personen und Staatsbeiträgen im folgenden Jahr wieder etwa derselbe hohe zwei- bis dreistellige Millionen-Geldbetrag garantiert ist und zur praktisch freien Verfügung steht (Globalbudget). Das steht im diametralen Gegensatz zur Wirtschaft, welche sich jedes Jahr von neuem dem Wettbewerb stellen muss, um nicht zuletzt die Kirchen finanziell mitzutragen.
Dieses kirchliche Verhalten ist höchst unsensibel und lässt schmerzlich darauf schliessen, dass sie sich des jährlichen Geldregens erfreut, ohne sich wertschätzend bewusst zu sein, wie und vom wem das Geld erarbeitet wird. Es mutet - bei allem Respekt - wie das Verhalten eines verwöhnten Kleinkindes an, das naiv und unwissend meint, das Geld komme aus dem Geldautomaten. Ich erachte Kirchenaustritte der Gläubigen aus diesen Gründen - nebst einigen weiteren, hinlänglich bekannten - als einen nachvollziehbaren Schritt und für die Kirchen als einen zwar unerwünschten, aber dennoch heilenden Schritt, sich der Realität des nicht steuerfinanzierten Daseins wieder bewusst zu werden. Es kann nicht sein und ist ein Armutszeugnis, wenn dieselben Kirchen überall auf der Welt (ausser in Deutschland, Österreich und der Schweiz) in der Lage sind, sich ohne Steuerzwang zu finanzieren und gute Werke zu tun, und ausgerechnet in der Schweiz, welche regelmässig als christlich geprägtes Land gelobpreist wird, nicht. Spendenbasierte Kirchenfinanzierung muss auch hier möglich sein, andernfalls ist vielleicht gerade die zur Bequemlichkeit führende Zwangsfinanzierung mit ein Grund des anhaltenden Mitgliederschwundes. Mit frommer Lobpreisung christlicher Ethik und katholischer Soziallehre wie auch hier im Artikel riskiert jede Kirche - wiederum bei allem Respekt - selbstverschuldet als "geschützte Werkstatt" angesehen zu werden. Damit ist niemandem gedient. Selbstredend dürfte die Redaktion diesen kritischen, mit deutlichen Worten verfassten Beitrages nicht unkommentiert lassen und wird abstreiten, rechtfertigen, gegenargumentieren, in die Empörungs- oder unschuldige Opferrolle schlüpfen oder auf positive Seiten ihres Arbeitgebers hinweisen, die es fraglos auch gibt. Dennoch, kirchliche, selbstgerechte Frömmelei hat es dringend nötig, mit der Realität konfrontiert zu werden. So sehr weiterhin undifferenziert an der Kritik von Wirtschaft und Wettbewerb festgehalten werden darf, darf zum Beispiel auch an undifferenzierter Kritik eines Lebens in Zölibat festgehalten werden, welches zu sexuellem Analphabetismus führt und am Vorwurf jahrelangen Bibelstudiums, welches offensichtlich zu selbstgerechter, klerikaler Realitätsferne führt. Ein über Verteidigungsstrategien, selbstkritisches In-Sich-gehen und kommissionsinterne Krisensitzungen hinausgehendes Umsetzen substantieller Anpassungen erscheint wünschenswert, ja unausweichlich. Dem Verfasser ist bewusst, dass spontane, emotionsgeladene Kommentare wie diesem, der von auf einem anderen Standpunkt als dem auf diesen Seiten vertretenen fusst, Gefahr läuft, entsprechende Repliken zu provozieren, was einer sachlichen Diskussion nicht zuträglich ist. Deshalb die Bitte, diesen Kommentar als solch eine spontane Stellungnahme zu verstehen. Ihr Vorteil ist - zumindest beim Verfasser - ein rascher Abbau aufgestauten Adrenalins, was ebenso schnell wieder zu einer vernünftigen und sachgerechten Auseinandersetzung mit einem Thema zurückführt. PS: Ich gehe davon aus, dass folgende Weisheit allen bewusst ist. Wer austeilt, muss auch einstecken können. :-) Hochachtungsvoll mit freundlichen Grüssen
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