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Flucht ins Ungewisse: Bahar im Wunderland

Flucht ins Ungewisse: Bahar im Wunderland
Regula Bosshard
Diplomkatechetin für die Primarstufe, Mitarbeiterin von Relimedia
Regula Bosshard
22. März 2016

Meine kleine Enkelin liebt es, wenn man ihr ein Tüchlein über das Gesicht legt, welches sie sich nach kurzer Zeit wieder wegzieht. Die allen bekannten Worte „Gugus – Dada“ begleiten diese Aktion, und man kann sicher sein, dass sie mit einem glücklichen,

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erlösenden Lachen quittiert wird. Ein Spiel des Vertrauens – millionenfach auf der ganzen Welt gerne mit Kleinkindern gespielt.

Auch Bahar, welche mit ihrem Vater auf der Flucht von Syrien ist, kennt es. Die beiden sind auf illegalem Weg nach Deutschland gelangt. Fast haben sie es geschafft.
Der Vater schärft ihr ein, dass sie sich trotz grosser Müdigkeit und Angst ganz unauffällig benehmen müssen.

„ Wir müssen vor allem für die Polizei unsichtbar bleiben.“ „Ich kenne einen Weg zum unsichtbar sein“, flüstert Bahar ihrem Vater ins Ohr. „Ich schliesse ganz fest die Augen und denke an einen anderen Ort.“ „Schluss jetzt mit dem Kinderspiel“, tadelt der Vater, „wenn sie uns erwischen, schicken sie uns zurück.“

Bahar schliesst die Augen. Es hilft ihr, gegen die grosse Angst anzukämpfen. Sie will ihren Vater nicht enttäuschen.

Während Bahar eine Toilette aufsuchen muss, wird ihr Vater beim Warten auf sie von der Polizei verhaftet, weil er keinen Pass vorweisen kann. Sie kann die Schreie ihres Vaters nicht hören.
Können wir uns die Schreckensmomente dieses kleinen Mädchens vorstellen, als es zurückkommt und kein Vater mehr zu sehen ist?  Auf der Suche nach ihm begibt sie sich auf eine Odyssee durch das nächtliche Frankfurt. Dabei begegnet sie Kaninchen im Park, trifft eine seltsame Bauchtänzerin mit Perücke und wird mit Kriegsbildern konfrontiert, die schmerzhafte Erinnerungen wachrufen.

Bild 2Bahar

Schliesslich wird sie von der Polizei aufgegriffen. Erstarrt vor Angst drückt sie ihre Augen ganz fest zu. Darum merkt sie zuerst gar nic ht, dass der Vater aus der Zelle kommt. Die beiden glaubten sich verloren zu haben und schliessen sich überglücklich und erleichtert in die Arme.

Bahar schliesst ihrem Vater die Augen und blickt ihm sorgenvoll ins Gesicht. Ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht. Wie es für die beiden Flüchtlinge weitergehen wird, bleibt offen.

Bahar

Mir gefällt, dass dieser Film (hier der Trailer ) mit wenigen Dialogen auskommt, umso mehr aber durch seine ausdrucksstarke Bildsprache vermittelt, wie sich das Leben als Flüchtling anfühlt. Er erzählt aber auch von der Macht der Fantasie. Ich bin froh, dass das kleine Mädchen diese Fähigkeit für sich erhalten konnte, welche ihm gewisse Auszeiten gönnt. Kinder beherrschen diese Kunst oft noch besser als die Erwachsenen. Gerade auch darum eignet sich dieser Film bereits für Schüler ab 12 Jahren.
Der Kurzfilm  (17 Min.) bietet zahlreiche Gesichtspunkte, um Themen wie Flucht, Migration, Asyl und Menschenwürde anzusprechen. Aber auch Gespräche über  Mitgefühl, Empathie und Respekt gegenüber den Menschen, die aus der schieren Not heraus bereit sind, ihr Leben auf das Spiel zu setzen, um Armut, Krieg und Verfolgung zu entkommen, sollen nicht zu kurz kommen.
Angst, Überforderung, Orientierungslosigkeit, Behördenwillkür, Sprachbarrieren prägen das Leben vieler Flüchtlinge. Was können wir angesichts dieses Leides für diese Menschen tun?  Sicher ist: Augen verschliessen nützt nichts, wir sind gefordert genau hinzuschauen und entsprechend zu handeln.

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Viele Anregungen, Arbeitsblätter, weiteres Bildmaterial finden sich im DVD-ROM Teil. Erhältlich ist die DVD “Flucht ins Ungewisse: Bahar im Wunderland“  bei Relimedia im Verkauf, Verleih und als Download mit öffentlichen Rechten.