Kirche aktuell

Die Macht der Bilder

Die Macht der Bilder
Friederike Osthof
Friederike Osthof
28. August 2018

Als erstes fragte mich der Journalist, warum wir von der Kirche uns jetzt ausgerechnet mit Bildern befassen. Gerade wir Reformierten hätten uns doch einst durch Bildersturm hervorgetan. Beim Interview ging es um das neue Projekt „Kunst und Religion im Dialog“ , das von den Zürcher Kirchen und dem Kunsthaus Zürich gemeinsam verantwortet wird. In thematischen Führungen werden ausgewählte Werke und Bilder im Kunsthaus aus kunsthistorischer und theologischer Perspektive betrachtet und besprochen.

Alberto Giacometti Lotar III, 1965 Bronze, 65,5 x 28,0 x 35,5 cm Kunsthaus Zürich, Alberto Giacometti-Stiftung, Legat Bruno Giacometti, 2016 © Succession Alberto Giacometti / 2018 ProLitteris, Zürich

Wie kommen wir Kirchen ausgerechnet auf dieses Projekt?

Man muss nämlich nicht bis zur Reformation warten, schon in den Zehn Geboten des Alten Testaments findet sich das Bilderverbot: „Du sollst dir kein Gottesbild machen noch irgendein Abbild von etwas, was oben im Himmel, was unten auf der Erde oder was im Wasser unter der Erde ist.“

Wir sollen keine Bilder anbeten, Gott nicht in Endliches hineinzwingen und umgekehrt auch nichts Endliches als etwas Unendliches verehren.

Das Bilderverbot wurde nie wirklich durchgesetzt, bald waren die Bilder wieder da, oder besser: sie waren immer noch da – auch bei den Reformierten.

Wir machen Bilder und schauen uns Bilder an. Wir können uns dem nicht entziehen, wovor uns das Bilderverbot schützen will: vor der Macht der Bilder.

Also kommt es darauf an, wie wir mit dieser so faszinierenden Macht der Bilder umgehen.

Meister der Münchner Domkreuzigung Grablegung Christi, um 1445/1450 Tempera auf Nadelholz, 107,0 x 80,5 cm Kunsthaus Zürich, 1936

Alles, was sichtbar ist, präsentiert sich als Bild. Zum Beispiel der Freund, dessen Anblick mich erfreut. Sich kein Bild von ihm zu machen, meint nicht wegzusehen; das wäre doch schade. Ich soll ihn nicht auf meine Vorstellungen von ihm reduzieren, die mir vorgaukeln, ihn zu kennen. Gerade wenn er mir als reales Bild gegenübersteht, werden meine Kopfbilder von ihm in Frage gestellt und allenfalls korrigiert.

Bilder für das Unsichtbare?

Für alles Unsichtbare wie Gott, Glaube oder eigene Haltungen gibt es keine realen Bilder, an denen wir unsere Vorstellungen korrigieren könnten. Vielleicht machen wir uns darum so wenig Gedanken darüber, was alles in unserem Kopf existiert und uns bestimmt, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Gut gibt es die wunderbaren sichtbar gemachten Kopfbilder im Kunsthaus die, wenn wir sie anschauen, uns helfen, uns unsere eigenen Vorstellungen bewusst zu machen und zu klären.

Natürlich sind diese Bilder noch viel mehr.

Mit ihren Darstellungen, Farben und Stimmungen, mit ihrer Komposition und Materialität rühren sie uns an, berühren uns und führen uns Vorstellungen des Sichtbaren und Unsichtbaren vor Augen, die uns nicht mal im Traum eingefallen wären.

Gute Idee – geklaut!

Aber eigentlich ging das mit dem Projekt ganz einfach. Ein Kollege kannte diese Führungen aus Bern. Das Kunsthaus fand die Idee gut. Kolleginnen und Kollegen aus der reformierten, der katholischen, der christkatholischen und der bulgarisch-orthodoxen Kirche waren begeistert – und da sind wir. Im Kunsthaus Zürich, ab September, fünf Mal pro Jahr, immer am Sonntag, 15:00 – 16:30 Uhr, jedes Mal mit einem anderen Thema.

Der erste Termin zum Thema „Schöpfung“ ist am Sonntag, den 9. September: Gespräch zu Werken von Arnold Böcklin und Alberto Giacometti mit Sibyl Kraft vom Kunsthaus und Matthias Berger (Reformierte Kirche).

https://www.zhref.ch/angebote/kultur/dienste/kunst-und-religion

Friederike Osthof, Kulturbeauftragte der Reformierten Kirche Kanton