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Behindertenseelsorge: Du gehörst dazu!

Behindertenseelsorge: Du gehörst dazu!
06. Dezember 2013

Die Katholische Behindertenseelsorge nahm am 29. und 30. November an der Swiss Handicap teil, der ersten Messe für Menschen mit und ohne Behinderung. Als Dienststelle der Katholischen Kirche im Kanton Zürich hat die Behindertenseelsorge ein klares Ziel vor Augen: Sie will, dass alle Menschen am Leben der Kirche teilhaben und ihre Talente einbringen können.

Stören Behinderte das Gesamtbild?

Unserem Stand nähert sich eine ältere Frau. Nennen wir sie mal Emma Meier.

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Wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt aus ihrem bald 90-jährigen Leben. Bei ihrer ersten Kommunion vor 80 Jahren hat der Pfarrer weisse Striche auf die Kirchenbänke gezogen. So wussten die Kinder, wo sie stehen mussten. Für die kleine Emma sah der Pfarrer keinen Strich vor. „Du störst. Du gehörst nicht dazu.“, sagte er ihr. Mit ihrer Beeinträchtigung passte sie nicht in die militärisch ausgerichtete Ordnung. Sie hätte das Gesamtbild der feierlichen ersten Kommunion gestört.

Begegnungen am Messestand

Ein kleines aufgewecktes Mädchen kurvt mit ihrem Elektrostuhl auf mich zu. Ihr Gesicht ist geschminkt. Sie sieht aus wie eine junge, verspielte Katze. „Möchtest Du eine Kerze anzünden?“, frage ich sie. „Ja, gerne.“, antwortet sie. Ich nehme die Schale mit den Kerzen vom Tisch und halte sie ihr ganz nahe hin, damit sie die Kerze anzünden und in den Sand der Schale stecken kann. Das Mädchen konnte die Hand kaum heben. Vielleicht hat sie eine unheilbare Krankheit.

Diese Begegnung ist mir geblieben. Unweigerlich denke ich an den Tweet , den ich während den Vorbereitungen auf die Swiss Handicap erhalten habe. In Belgien soll die aktive Sterbehilfe für todkranke Kinder legalisiert werden. Wäre für diese kleine „Bohne“ die aktive Sterbehilfe bald vorgesehen? Was muten Politikerinnen und Politiker Minderjährigen mit einer Behinderung und ihren Eltern zu? Was ist, wenn sich Eltern dagegen entscheiden? Werden die Menschen der Strasse sie schief anschauen? Die Passanten wissen ja, dass die Eltern eigentlich die Möglichkeit hätten, dieses Leben legal zu beenden.

Emma Meier schaut mich an. Sie lacht und sagt: „Ich habe ein schönes Leben gehabt.“ Ich sehe eine grosse Dankbarkeit in ihren Augen. Sie hat ihren Weg gefunden. Glücklicherweise traf sie mit 17 Jahren einen Kapuziner. Er begleitete sie über viele Jahre als Seelsorger. In ihm durfte sie eine offene und willkommen heissende Kirche kennenlernen.

Das Wort der Eröffnungsrede des Nationalrates Christian Lohr scheint sich wie ein Bogen über das Leben der beiden zu spannen. „Wir sind alle gleichwertige Menschen“ und er hält fest, dass an dieser Grundhaltung zu arbeiten ist.

Gottesdienst an einer Messe ? Das geht!

Als Behindertenseelsorge versuchen wir, Menschen mit Behinderung auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Wir setzen uns ein, dass sie in der Kirche dazu gehören. So feierten wir an der Swiss Handicap einen Gottesdienst. Wir versuchten, mögliche Barrieren zu beseitigen. Eine Gebärdensprachdolmetscherin übersetzte für gehörlose Menschen. Ein Schriftdolmetscher schrieb mit Hilfe von Laptop und Beamer das Gesprochene für Menschen mit einer Hörbehinderung auf. Ein Mitarbeiter beschrieb das Bild in der Mitte. Er machte es „sichtbar“ für blinde Menschen und Menschen mit einer Sehbehinderung. Ein Mann lormte, das heisst: Er schrieb mit seinen Fingern in die Hand einer stark hörsehbehinderten Frau. Er zeigte beispielhaft wie auch Menschen mit einer Hörsehbehinderung am Gottesdienst hätten teilnehmen können. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühten sich um leichte Sprache. So konnten Menschen mit einer intellektuellen Behinderung dabei sein.

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An der Swiss Handicap herrschte eine tolle Stimmung. Als Team der Behindertenseelsorge erleben wir immer wieder, wie Menschen mit Behinderung die Athmosphäre durch ihre Gaben prägen. Darum setzen wir uns ein, dass alle als gleichwertige Menschen dazu gehören.