Der Bettag ist wichtig – Für Religionen und Staat
Vom Zürcher Rathaus gingen die berühmten Bettagsmandate von Gottfried Keller aus,hier tagen das kantonale Parlament wie auch reformierte und katholische Synode. „An diesem Ort einfach nur ein Buch vorzustellen, wäre eine verpasste Chance“ begrüsste RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch die zahlreich erschienenen Gäste.
Im Sinne dieses einzigen und einzigartigen staatlich verordneten religiösen Feiertags hätten die Organisatoren entschieden, einen Anlass zu gestalten, der auch unabhängig vom Buch auf den Bettag einstimme, „dessen ökumenische Bedeutung uns angesichts der Gleichzeitigkeit des Gedenkjahres für Niklaus von Flüe und des Reformationsjubiläums 2017 besonders bewusst wird.“
Die Churer Dogmatikprofessorin Eva-Maria Faber verwies darauf, dass Religionsgemeinschaften nicht (nur) aus eigenem Antrieb am Bettag danken, Busse tun und beten, „sondern weil der Staat sie dazu auffordert. Das macht die Eigentümlichkeit dieses Tages aus: in der Schweiz ist es der einzige religiöse Feiertag, der vom Staat nicht nur ermöglicht, sondern angeordnet wird."
Dass zwei kantonale Regierungsverantwortliche bereit seien, an der Vernissage ein Votum zum Bettag zu formulieren, sei ein starkes Zeichen, „dass die politische Trägerschaft bereit ist, Verantwortung für den Bettag wahrzunehmen.“
Religion darf keine Tabuzone sein
Jacqueline Fehr und Béatrice Métraux präsentierten in engagierten Statements Gedanken zur religionspolitischen Bedeutung des Eidgenössischen Dank- Buss und Bettags.
Für die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr kommt das Buch zum Bettag im richtigen Moment in eine Zeit hinein, in der das Verhältnis des Staates zu den Religionen ein aktuelles Thema ist und der Staat in den Diskussionen eine nicht immer einfache Rolle hat. Um so mehr wertschätzte sie das bewährte Neben- und Miteinander des Staates und der anerkannten Religionsgemeinschaften. Im Blick auf 400‘000 Muslime wird dem Staat oft Untätigkeit und Naivität vorgeworfen. „Diese Besorgnis verstehe ich“, sagte Fehr mit Verweis auf Verunsicherung und Angst, aber „Dieser Angst treten wir entgegen“. „Ja, wir haben ein grosses Problem mit extremistischen Kräften“ stellte sie fest, um aber ebenso deutlich zu versichern „Nein, wir haben kein Problem mit Muslimen. Sie sind in der Schweiz gut integriert.“ Extremismus sei zu bekämpfen, nicht jedoch die Religion. Die Sicherheitskräfte seien gefordert und ihre Fachleute in Risikoeinschätzung stellten sich der Aufgabe. Als Gemeinschaft müssten wir wieder lernen, über Religion zu reden und zu diskutieren.
„Religion darf keine Tabuzone sein." Mit Blick auf die Muslime bekräftigte sie, auch diese hätten einen Anspruch auf Seelsorge und der Staat schätze die wertvolle Unterstützung der anerkannten Religionsgemeinschaften mit Rat und Tat. Messlatte sei der Rechtsstaat. „Wer bloss anders denkt oder andere Traditionen pflegt, geniesst Schutz des Rechtsstaates.“
Dass viele Menschen heute bereit seien, wesentliche Errungenschaften unserer Zivilisation aufzugeben, besorge sie, denn dies seien gefährliche Tendenzen. Der Bettag fördere gegenseitigen Respekt und die Idee der interreligiösen, interpolitischen Einheit soll weitergeführt werden. Die ganze Rede von Regierungsrätin Jacqueline Fehr findet sich hier.
Bettag: Unverzichtbarer Dialog
Die Waadtländer Staatsrätin Béatrice Métraux erzählte von der Entwicklung des Bettags im Waadtland, wo sich im Verlauf der Zeit neue Traditionen gebildet haben. Weil früher Fasten angesagt war und die ganze Familie zur Kirche ging, wurde bereits am Vortag eine grosse Zwetschenwähe gebacken, damit am Sonntag nicht gekocht werden musste. Diese Tradition mit der Zwetschgenwähe hat sich bis heute erhalten.
Neu entwickelt haben sich jedoch am Bettag zahlreiche Anlässe wie Musik-, Literatur- oder Kulinarikfestivals und die Museen stehen offen. Deswegen – und auch wegen dem zusätzlichen freien Montag (!) stehe der Bettag hoch im Kurs und biete die Möglichkeiten zu unverzichtbarem Dialog, den sie nicht missen möchte.
Dankbarkeit im Alltag
Noam Hertig, Rabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich gab Einblick in das jüdische Verständnis von Dankbarkeit, indem er die Bezeichnung der Juden in die beiden Wortteile „Gottes Name“ und „Dank“ aufschlüsselte. Die Dankbarkeit gegenüber Gott leben jüdische Gläubige jeden Tag dutzendfach, indem zahlreiche kurze Gebete den Alltag begleiten.
„Das erste Gebet morgens früh spreche ich vor dem Griff zum Smartphone,“ führte er augenzwinkernd aus. Er verwies auch auf die aktuelle Forschung, welche entdecke, dass wer mit Dankbarkeit unterwegs sei und das Gute anerkenne auch für negative Erfahrungen Dankbarkeit entwickeln könne. „Dankbare Menschen sind weniger frustriert und weniger neidisch. Gegenseitige Wertschätzung erinnert uns daran, wie abhängig wir voneinander sind und von einer höheren Macht. Der Bettag ist aktuell, weil er als Gemeinschaft eint und zu guten Taten inspiriert.“
Es geht um die Zukunft
Die reformierte Pfarrerin Cornelia Camichel Bromeis ist Dekanin der Evangelisch-Reformierten Landeskirche Graubünden und gestand, dass sie beim Begriff der „Busse“ zuerst – typisch reformiert - mit Zweifel reagiert. Die Beichte ihrer katholischen Schulkolleginnen hatte sie zum Nachdenken über Sünden und Busse angeregt. Diese interkonfessionelle Begegnung hätte ihr jedoch die Augen geöffnet für die Frage, woran und wie Menschen schuldig werden können.
Der Bettag sei ein bemerkenswerter Tag, um nicht nur Busse zu tun, sondern auch zu danken. Gerade wenn sie als Pfarrerin Menschen erlebe, die an Mitschuld zu zerbrechen drohen, weil sie machtlos seien, sei sie dankbar um die Barmherzigkeit Gottes. Das Bettagsbuch rege an, gemeinsam vor dem grossen Ganzen zu stehen, denn „im Sinn des Titels gehe es um die Zukunft von uns und der Mitwelt.“
Gebete mit Symbolkraft
Muris Begovic, Imam der Bosnischen Gemeinschaft in Schlieren und Sekretär der VIOZ, erläuterte, wie im Islam die Gebete von einer starken Symbolik geprägt sind. Mit Verweis auf den Beitrag von Rifa‘at Lenzin, gehe es „nicht um die Frage, ob Muslime am Bettag partizipieren können, sondern ob sie müssen, respektive es sich leisten können, abseits zu bleiben.“
„In einem Gebet soll es nicht nur um das Individuelle, sondern auch um das Gemeinsame gehen. Ja, die gemeinsamen Werte und das Nutzen des gemeinsamen Raumes.“
Stimmungsvoll gestaltete das Duo Kaleidoskop mit Akkordeon und Klarinette die Momente zwischen den einzelnen Voten. Die musikalischen Beiträge aus verschiedenen Kulturen illustrierten thematisch passend mit Klängen aus Klezmer und Tango, wie sich verschiedene Richtungen zu einem harmonischen Ganzen verbinden können.
Angaben zum Buch:
Eva-Maria Faber, Daniel Kosch (Hg.)
Dem Bettag eine Zukunft bereiten
- Geschichte, Aktualität und Potenzial eines Feiertags (ISBN 978-3-290-20139-5, Edition NZN bei TVZ, erhältlich in der Buchhandlung Strobel, Weinbergstrasse 20, Zürich)
Fotos und Text: Arnold Landtwing
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