Kirche aktuell

Von wegen leere Kirchen

Von wegen leere Kirchen
Arnold Landtwing
Arnold Landtwing
04. April 2016

Leere Kirchen: Ein Bild, das Medien in schöner Regelmässigkeit bemühen, vor allem wenn wieder irgendeine Bevölkerungsstatistik mit Kennzahlen zu Religionszugehörigkeit erschienen ist. Im dichten bestehenden Angebot gibt es tatsächlich Gottesdienste, die schwach besucht sind. Doch ist dem immer so? Und: Was geschieht, wenn Pfarreien das Gottesdienstangebot zeitlich so anpassen, dass es besser dem Bedürfnis von Gläubigen entspricht?

Sonntagsgottesdienst schon am Freitagabend?

Für Aufsehen gesorgt hat kürzlich die reformierte Kirchgemeinde Sihlfeld, die kurzerhand auf den Sonntagsgottesdienst verzichtet und mit der „Fyrabigchile“ am Freitagabend zum Gottesdienst einlädt. Und was geschieht? Bei einem ersten Testlauf kamen mit 100 Gottesdienstbesuchern fünfmal mehr Gläubige in die Kirche als sonst.

Fyrabigchile

Probe aufs Exempel

Die Probe aufs Exempel habe ich über die Ostertage selber gemacht, indem ich einen Blick über das Generalvikariat und den Kanton Zürich hinaus warf und in Luzern am Karfreitag und am Ostersonntag zwei inhaltlich wie zeitlich spezielle Angebote besucht habe.

Wer die Aufführung von Johann Sebastian Bachs Johannespassion am Karfreitag abends um 19.30 Uhr in der Hofkirche Luzern erleben wollte, tat gut daran, eine Stunde vor Beginn bereits in der Kirche zu sein. Kurz nach Türöffnung war die Kirche bereits gut gefüllt und eine halbe Stunde vor Beginn der Aufführung musste man sich bereits mit einem Platz hinter einer Säule begnügen. Die knapp zweistündige Aufführung der Johannespassion war geprägt von einer dichten Stille, in welcher die Musik ihre Botschaft entfalten konnte. Aufgefallen ist mir, wie viele jüngere Menschen sich an diesem Abend zur Aufführung dieses anspruchsvollen Werkes eingefunden hatten.

Festgottesdienst am Ostersonntag nachmittags um 17 Uhr in der Franziskanerkirche Luzern. „Kann das gut gehen?“ habe ich mich gefragt, „Ein Festgottesdienst am Ostersonntag nachmittags um 17 Uhr?“ Und wurde eines besseren belehrt. Weil ich zeitlich etwas knapp eintraf, verhalf mir nur zusammenrückende Solidarität in der Kirchenbank zu einem Sitzplatz. Kirchenmusikalisch gestaltet war der Gottesdienst mit Johann Michael Haydns Missa in honorem sancti Gottardi. Ansonsten: ein schlichter, feierlicher Gottesdienst – und auffallend wie viele auch kleine Kinder im Gottesdienst anwesend waren.

Kernpunkt: Liturgische und musikalische Gestaltung

Wer aus diesem Blick nach Luzern ableitet, dass nur noch spezielle Angebote gut besucht sind und ab Ostermontag alles wieder vorbei ist, greift zu kurz – und war vermutlich nicht im „normalen“ 11 Uhr-Gottesdienst in der Pfarrei Maria Krönung Witikon . Trotz schönem Wetter war auch hier die Kirche gut gefüllt und das Echo einer jüngeren Gottesdienstbesucherin sehr positiv:

„Gefallen hat mir die musikalische Gestaltung mit Bläsern und die kurze Predigt.“

Leere Kirchen? Wer genauer hinschaut – und vor allem: Selber hingeht, erlebt in schöner Regelmässigkeit auch das Gegenteil. Wo die liturgische und kirchenmusikalische Gestaltung ansprechend ist und der Zeitpunkt dem Bedürfnis der Gläubigen entspricht, ist die Kirche voll. Und dies ist allen Unkenrufen zum Trotz in schöner Regelmässigkeit der Fall, nicht nur an Weihnachten, Ostern, oder am Weissen Sonntag, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten.

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Spitzenreiter Migrantengemeinschaften

Zu den Spitzenreitern gehören hier die Migrantengemeinschaften, von denen es bei uns im Kanton Zürich mehr als 20 verschiedene gibt. Sind es am einen Ort 700 Kroaten, die sich jeden Sonntag zum Gottesdienst in der Kirche einfinden, sind es andernorts 1000 Portugiesen, um nur zwei von vielen Beispielen aufzuzählen.

Ermutigung und Tiefgang

Das gemeinsame Feiern des Gottesdienstes nährt die Seele, schafft Heimat und Nähe. Im Pfingstbrief hat Generalvikar Josef Annen hingewiesen, auf was es ankommt:

„Wer einen Gottesdienst besucht, erwartet ein Wort der Ermutigung, des Trostes, aber auch der Herausforderung. Gläubige wollen im Gottesdienst spirituell gestärkt werden. Das erreichen oft wenige, aber von Herzen kommende Worte. Menschen merken schnell, ob Predigten nur aus dem Internet heruntergeladen sind. Diese mögen zwar theologisch richtig sein, sind aber oftmals weit entfernt vom Erleben und der Sprache des Predigers. Wo das Wort Gottes verkündet wird, steht nicht der Vortragende selbst, sondern Jesus Christus im Mittelpunkt. Kombiniert mit sorgfältiger musikalischer Gestaltung und genügend Raum für Stille gewinnt die Liturgie an Tiefgang und Attraktivität.“

Wo Gottesdienste und andere Angebote diese Sorgfalt pflegen, sind sie attraktiv und geben den Menschen das mit, was sie für den Alltag brauchen: Ermutigung und Tiefgang.