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Spirituelle Oase in der Predigerkirche

Spirituelle Oase in der Predigerkirche
Redaktionsteam
Katholische Kirche im Kanton Zürich
Die Beiträge im Blog geben die Haltung der Autoren wider und müssen nicht in jedem Fall mit der offiziellen Haltung der kirchlichen Körperschaft übereinstimmen.
Katholische Kirche im Kanton Zürich
22. Januar 2015

Singend und schweigend in den Tag lassen sich spirituelle Momente mitten im Alltag leben. In der Predigerkirche am Zähringerplatz wird auch unter der Woche zu verschiedenen spirituellen Oasen eingeladen. Bei den Angeboten am Morgen, Mittag und Abend ist der ökumenische Ansatz selbstverständlich. Viviane Schwizer ist der Einladung gefolgt.

Es ist Donnerstag, kurz vor sieben Uhr. Der Tag scheint sich erst langsam aus dem Schlaf zu räkeln. Und doch sind an diesem Morgen bereits eine Handvoll Menschen unterwegs in die Predigerkirche.

Aus der Innenstadt, aber auch aus dem ganzem Stadtgebiet und der Agglomeration kommen Leute zur Morgenmeditation «Singend und schweigend in den Tag». Sie schätzen das schlichte Angebot. Den einen bringt es innere Ruhe und Trost, anderen Freude und Zuversicht.

Drinnen in der Kirche erfüllt besinnliche Stille den Raum. Stühle, Sitzkissen und Gebetsschemel bilden einen Kreis, in der Mitte brennt eine Kerze. Nach dem Glockenschlag zur vollen Stunde stimmt die reformierte Pfarrerin Renate von Ballmoos das Lied «Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden» an. Darauf singen alle, zuerst leise, dann immer kräftiger das einfache Lied. Gemeinsam vergegenwärtigen sich Frauen und Männer, Junge und Alte, Ordensleute und Laien den Wunsch nach Frieden.

Bereicherndes Schweigen

Nach rund fünf Minuten verebbt der Gesang und macht gemeinsamem Schweigen Platz. Mehr als 30 Minuten lang ist es ruhig. Dann stimmen die Menschen nochmals das Eingangslied an. Nach dem Segenswort der Pfarrerin verabschieden sich die Leute vom Licht in der Mitte und ziehen ihrer Wege.

«Für die Besucher bedeutet die Feier ein Eintauchen in die Stille ein guter Start in den neuen Tag» . Pfarrerin Renate von Ballmoos

Atempausen in der Woche

Die Meditation «Singend und schweigend in den Tag» ist nicht das einzige Angebot in der «Werktagskirche» der Kirchgemeinde zu Predigern. Von Montag bis Freitag gibt es das «Mittagsgebet» . Ein Team gestaltet turnusgemäss die kurze Liturgie am Mittag: Ein Psalm wird gebetet, ein Bibeltext gelesen und ausgelegt, ein Taizé-Lied gesungen. Für Sr. Ingrid Grave, ehemalige Sternstundenmoderatorin, Dominikanerin und Ansässige im Quartier, ist diese Form des Gebets «eine 20-minütige Mittagszäsur für die Seele».

Plakat Einladung Mittagsgebet

Mittagsgebet Predigerkirche FOTO Viviane Schwizer

Ähnliches gilt für die seit Jahren angebotene offene Seelsorge : Es geht um ein Auftanken und Durchatmen in manchmal strapaziösen Zeiten. Menschen finden in einer speziell dafür eingerichteten Ecke in der Kirche eine Pfarrerin oder einen Pfarrer, eine Ordensfrau oder einen Ordensmann, die bereit sind, zuzuhören, zu begleiten und den Alltag einen Moment lang mit andern zu teilen. Das Angebot von Montag bis Freitag zwischen zwei und sechs Uhr ist auf Wunsch anonym, kostenlos und offen für Menschen aller Kirchen, Konfessionen und Religionen.

Geschätzt als Konzertkirche

Von vielen geschätzt im Werktagsprogramm der Predigerkirche werden die sogenannten «Freitagsvespern» : Diese Feiern am Freitagabend um 18.30 Uhr lehnen sich an die katholische und orthodoxe Vespertradition an. Dabei werden die verschiedenen Liturgien mit ganz unterschiedlicher Musik aus aller Welt bereichert. Gehört werden kann ein Chor, ein Vokalensemble oder eine Sängerin oder ein Sänger. Regelmässig finden auch Orgelvespern oder Instrumentalvespern statt. Als Gäste feiern in der Kirche u.a. die koptisch-orthodoxe Gemeinde, der Zürcher Dominikanerkonvent, die Armenier, die English Church und viele andere Kirchen und Gemeinschaften.

Bücher und Ausstellungen

Wer lieber mit den Augen als mit den Ohren geniesst, ist in der «Bibliathek» der Kirche goldrichtig: Hier gibt es Bibeln in über dreissig Sprachen, Bildbände, sowie Kinderbibeln, die zum Lesen und Bestaunen anregen. Regelmässig gibt es im Gotteshaus auch Kunstausstellungen. Begehrt sind weiter das aufgelegte Anliegenbuch sowie die Gebetsnische, wo Kerzen angezündet werden können. Selbstredend gibt es in der Werktagskirche weiterhin die «normalen» Sonntagsgottesdienste, die traditionellen Jahreskreisrituale aber auch einmal im Monat eine Eucharistiefeier, die von der Dominikanergemeinschaft verantwortet wird.

Seit August 2014 istzudem die katholische Seelsorgestelle an der Predigerkirche durch den Theologen Meinrad Furrer neu besetzt.
Die Pfarrerin zu den verschiedenen Angeboten: «In der Predigerkirche rhythmisieren Gottesdienste und Feiern den Tag, das Jahr und die Lebenszeit. Sie sollen einen vielfältigen Zugang zu einem spirituellem Handeln und Erleben ermöglichen».

Chorraum Predigerkriche

Chorraum Predigerkirche Zürich FOTO Viviane Schwizer

Belebte Kirche

Die Predigerkirche ist täglich geöffnet: Während der Öffnungszeiten leistet eine freiwillige Person «Präsenzdienst». Diese bedient keinen Kiosk wie in anderen Stadtkirchen, sondern ist einfach für die Leute da, die jemanden brauchen. Die Kirche ist also nie leer, immer ist jemand da. Dies ist für die Atmosphäre entscheidend. Pfarrerin Renate von Ballmoos sagt:

«Offene Stadtkirchen wie die Predigerkirche sind eine heilsame Ergänzung zu einer lauten, schnellen und profitgetriebenen Welt sein»

Sie ist überzeugt, dass es in der Innenstadt stille Räume braucht, um sich aus der Alltagshektik auszuklinken. Mit solchen Angeboten würden Werktagskirchen einen Beitrag zu einer freundlichen und lebenswerten Stadt leisten.

Text und Fotos: Viviane Schwizer