Kirche aktuell

Self-Scanning – schneller bedeutet nicht besser

Spitalseelsorgerin, Sprecherin "Wort zum Sonntag"
Nadja Eigenmann
Nadja Eigenmann
21. August 2014

Ich gehe zum Einkaufen in den Supermarkt. Doch etwas ist dieses Mal anders: Im Eingangsbereich vor den Früchten steht ein hohes Gestell, in dem kleine elektronische Geräte stecken.

Zunächst bin ich irritiert, dann ärgerlich, weil mir mehrere Personen den Weg versperren. Dann erst merke ich, worum es hier geht: Es ist eine Werbung, um mit Self-Scanning einzukaufen; also den Preis der Ware selber elektronisch erfassen und an einem Automaten bezahlen.

Ich werde angesprochen, ob ich mit Self-Scanning einkaufen wolle. „Wieso?“ frage ich.
„Damit können Sie schneller einkaufen und müssen nicht mehr an der Kasse anstehen.“
Etwas trotzig antworte ich: “Ich will aber nicht schneller einkaufen und das Warten an der Kasse macht mir nichts aus“ und gehe weiter …

Innerlich bin ich nicht nur aufgewühlt, sondern wütend: Wieso wird mir schnelleres Einkaufen als besser angepriesen? Hier ist doch etwas faul. Wenn die Kundschaft dieses System annimmt, werden früher oder später Arbeitsplätze abgebaut!

Zu Hause habe ich mich genauer informiert: Etwa 1/4 der Personalkosten einer Filiale entfallen auf den Kassenbereich. Anstelle einer konventionellen Kasse können vom Platzbedarf her zwei Kassenautomaten aufgestellt werden.

Also habe ich mich nicht getäuscht: Arbeitsplätze an den Kassen, wo viele Frauen arbeiten, sind in Gefahr! Der Arbeitgeber kann Löhne, AHV, Pensionskassen- und andere Sozialleistungen einsparen.

Und was bedeutet Self-Scanning für die Kunden? Die Kunden erbringen eine Dienstleistung, für die Angestellte bezahlt würden. Also werden sie ausgenutzt. Ausserdem besteht ein Misstrauen. Denn die Kunden müssen zustimmen, dass ihre Einkaufstaschen hin und wieder kontrolliert werden.

Mit Self-Scanning wird den Kundinnen und Kunden etwas vorgegaukelt: Nämlich schnelleres, selbständigeres und besseres Einkaufen als Fortschritt und Freiheit. Den wirklichen Vorteil aber hat die Geschäftsleitung: Mehr Produkte in kürzerer Zeit verkaufen und höheren Gewinn erzielen.

Zurück im Supermarkt: Einkaufen ist für mich auch ein Erlebnis – nicht schnell, schnell – und beim Warten an der Kasse Blickkontakte oder ein Gespräch.

… Ich lege die Aprikosen, Tomaten und anderen Dinge aufs Band und sehe, was ich alles eingekauft habe. Mir wird bewusst, wie wichtig es ist, nicht nur Sorge dafür zu tragen, WAS ich einkaufe, sondern auch WIE ich einkaufe. … Beim Bezahlen ein Blickkontakt mit der Kassiererin und eine freundliche Verabschiedung.

Wenn Sie einkaufen gehen, bitte tragen Sie auch Sorge dafür, WIE Sie einkaufen.
Schneller bedeutet nicht besser!

„Wort zum Sonntag“ am 16. August 2014

Beitragsfoto: www.flickr.com