Kirche aktuell

Prix Courage 2015 für Priester?

Prix Courage 2015 für Priester?
Leiter Kommunikation und Kultur Synodalrat
Simon Spengler
Simon Spengler
13. Oktober 2015

Der Eritreer Mussie Zerai (40) betreut als einziger Priester die katholischen Landsleute in der Schweiz. Für sein Engagement zugunsten der Bootsflüchtlinge ist er für den Prix Courage 2015 der Zeitschrift Beobachter vorgeschlagen. Simon Spengler sprach mit ihm anlässlich eines Vortrags an der Universität Freiburg i.Ue.

Mussie Zerai, wann waren Sie selbst das letzte Mal in Eritrea?

Mussie Zerai: Vor 12 Jahren, 2003. Danach wurde mein Pass eingezogen, so dass ich nicht mehr einreisen kann. Ich gelte in meiner Heimat als Feind des Regimes.

Aber auch als Freund und Helfer der Menschen!

Ja, sicher, viele meiner Landsleute kennen mich, weil ich mich für die Flüchtlinge und die Eritreer im Exil einsetze.

Ich kämpfe nicht nur für Eritreer, sondern für alle Afrikaner, die vor Not, Krieg und Verfolgung flüchten mussten.

Wie viele Eritreer leben heute in der Schweiz, wie viele in Zürich?

Total sind es rund 25‘000, davon etwa 6‘500 katholische Christen. Die Zahlen für Zürich kenne ich nicht genau. Aber zu unseren Gottesdiensten in der Guthirt-Kirche in Zürich-Wipkingen kommen regelmässig gut 300 Personen, an Festtagen auch etliche mehr.

In unseren Medien treten immer wieder auch Eritreer auf, die das Regime unterstützen. Warum leben sie eigentlich in der Schweiz?

Das frage ich mich auch, wahrscheinlich kamen sie aus wirtschaftlichen Gründen. Aber wenn sie das Regime unterstützen, könnten sie jeder Zeit wieder zurück. Falls sie in der Schweiz einen Asylstatus bekommen haben, sollten sie den eigentlich abgeben und jenen Landsleuten Platz machen, die wirklich vom Regime verfolgt werden.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eritrea_on_the_globe_(Africa_centered).svg?uselang=de / Autor: TUBS

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eritrea_on_the_globe_(Africa_centered).svg?uselang=de / Autor: TUBS

Für Sie ist also klar: Eritrea ist eine Diktatur?

Leider ja, absolut. Hören Sie: In der Schweiz geniessen Sie

  • Rechtsstaatlichkeit
  • Wohlstand
  • Frieden
  • Demokratie.

In Eritrea gibt es nichts davon! Dort herrschen Willkür, Armut, Krieg und Unterdrückung jeder Form von Opposition.

Trotzdem werde ich in der Schweiz immer wieder gefragt, ob Eritrea wirklich eine Diktatur sei. Entschuldigung, aber das ist absurd. Seit 24 Jahren ist das Regime an der Macht, ohne je demokratisch legitimiert worden zu sein. 2001 wollte ein Teil der Regierung dem Volk die Macht zurückgeben. Alle diese Minister und ihre Unterstützer, auch viele Journalisten, wurden verhaftet. Bis heute weiss niemand, was aus ihnen geworden ist, ob sie überhaupt noch leben.

Man hört hier auch immer wieder von dem unmenschlichen Militärdienst.

Ich habe in meiner Familie Angehörige, die seit 20 Jahren oder länger Militärdienst leisten müssen. Sie kommen einfach nicht mehr aus der Armee raus. Wie kann man von einem jungen Mann erwarten, dass er das freiwillig mitmacht? Zumal, wenn man die grausamen Zustände in den Kasernen kennt.

Wie ist die religiöse Situation in Eritrea?

Die Bevölkerung ist halb christlich, halb muslimisch. Von den Christen sind 90% Orthodoxe, die anderen meist Katholiken.

Hat der Konflikt im Land auch religiöse Wurzeln?

Gott sei Dank nicht. Das Regime versteht sich als atheistisch, es kam ursprünglich von der maoistischen Bewegung her. Religion spielt hier keine Rolle.

Was bedeutet Ihnen die Nomination für den Prix Courage?

Mussie Zerai_FOTO_Rita Pürro Spengler

Mussie Zerai_FOTO_Rita Pürro Spengler

Das ist für mich vor allem eine Gelegenheit, meine Stimme für die Stimmlosen zu erheben.

Es wird nie Frieden geben ohne grundlegende Menschenrechte. Das ist meine Botschaft.

Sie erhalten immer wieder Anrufe von Flüchtlingen in Seenot, damit Sie die Rettungsdienste alarmieren. Tausende Menschen konnten sie retten, viele aber auch nicht. Können Sie angesichts dieses Elends überhaupt noch schlafen?

Ich schlafe tatsächlich oft schlecht, weil mich mein Handy immer wieder nachts weckt.

Der Glaube gibt mir Kraft, die Situation zu ertragen. Mein Leben ist mein Gebet. Ich helfe da, wo ich kann. Aber ich kenne auch meine Grenzen. Ich tue mein bestes und lege den Rest in Gottes Hand.

Hier können Sie Pfarrer Mussie Zerai Ihre Stimme für den Prix Courage geben: Prix Courage 2015 Beobachter

News-Artikel auf Homepage zhkath.ch

Beitrag in der NZZ