Kirche aktuell

Priorin Irene: „Ich bin keine Feministin“

Priorin Irene: „Ich bin keine Feministin“
Kerstin Lenz
Kerstin Lenz
29. April 2016

Kloster Fahr , ein sonniger Frühlingstag im April. Es grünt und blüht, und „schmöckt“ nach Mist im Klostergarten. Ich bin mit der Priorion Irene Gassmann verabredet. Sie setzt sich für das Projekt „Kirche mit* den Frauen Für Gleichheit im Glauben und im Tun“ ein.

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Im warmen Duft (Brot? Zopf? Kuchen?) des Ganges vor der Küche sitze ich auf einer Bank und warte auf Schwester Irene. Die Mittagszeit lässt mich schnell entspannen. Das entgeht der Priorin nicht, als sie mich sitzen sieht. Der Händedruck mit schmaler Hand ist fester als gedacht, der Blick aus den braunen Augen warm und wach. Ich komme mir ein wenig ertappt vor, ob meiner kleinen Pause. Im hübschen Besucherzimmer mit Holzvertäfelung und einem weissen Kachelofen machen wir es uns zum Gespräch bequem.

Priorin Irene, das Projekt „Kirche mit* den Frauen“ ist ja Ihr erstes kirchenpolitisches Engagement.

Es ist eigentlich nicht meine Art, mich politisch zu engagieren. Es ist auch nicht Aufgabe einer Priorin. Ich habe es mir gut überlegt, als die Anfrage vom Organisationskomitee von „Kirche mit*“ kam. Es sind nicht einfach Forderungen und Ziele formuliert, sondern alles ist ergebnisoffen. Das Thema Kirche und Frauen wurde ja schon oft diskutiert. Es ist aber eine neue Art, das Thema anzugehen: sich auf den Weg machen. Ich glaube, das ist etwas zutiefst Weibliches, dass erst einmal ein Prozess angeschoben wird. Man geht auf den Weg geht ohne zu wissen, was dabei herauskommt.

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Was bedeutet aus Ihrer Sicht der Stern bei Kirche mit*?

Ich liebe diesen Stern, weil er mir sehr vertraut ist. In unserem Stundengebet sind die Psalmverse mit diesem Stern (Asteriskus) unterteilt. Es entsteht beim Beten eine „Stern-Pause“ – also ein Freiraum zum Atem holen oder auch zum Nachdenken. Dieser Stern lässt also Freiraum auch für diesen Titel „Kirche mit*“ Dieser Titel könnte auch für andere Gruppen ergänzt werden. Z.B. Kirche mit* den Fremden, oder mit Familien…

Sind Sie schon einmal gepilgert?

Das Pilgern zu Fuss habe wirklich noch nie gemacht. Ich trainiere auch ein bisschen, laufe die Schuhe ein, an einem Nachmittag in der Woche. Ich bin sehr gespannt, was die zehn Tage mit mir machen, man kann durchs Laufen ja vieles loswerden.

Was sollte mit „Kirche mit* den Frauen“ aus Ihrer Sicht erreicht werden?

Für mich ist schon vieles passiert. Es kam bereits ein Prozess in Gang. Frauen und Männer fangen wieder Feuer für die Kirche. Es macht mich traurig zu sehen, wie viele gute Leute sich von der Kirche verabschieden, weil sie finden „Das bringt ja eh nichts“ oder „Hier fühle ich mich nicht ernst genommen“. Aber ich finde, die Kirche hat so viel zu geben. Ich wünschte mir, dass eine Dynamik in Gang kommt, dass man gemeinsam die anstehenden Fragen angeht. Das wäre das Schönste.

Was waren denn Ihre Bedenken bei „Kirche mit* den Frauen“ mitzutun?
Ich wollte in keine Ecke gestellt werden. Ich bin keine Feministin. Aber ich bin eine Frau, eine getaufte Frau, eine Benediktinerin, ich lebe in einem Frauenkloster. Das Anliegen der Frauen ist mir ein Anliegen – vor allem in der Kirche.

Was sind denn aus Ihrer Sicht die Anliegen der Frauen?

Ich möchte das eigentlich erweitern: Es ist auch das Anliegen der Männer. Das Hauptanliegen liegt in der Basis. Aber es sind ja vor allem Frauen, die an der Basis als Freiwillige, aber auch im pastoralen Dienst, als Seelsorgerinnen die Arbeit leisten. Aber wenn es dann um Entscheidungen geht, um Papiere und Formulierungen, sind meist die Männer gefragt. Das erlebe ich auch ganz konkret als Benediktinerin. Wir haben zum Beispiel von der Kongegration für das geweihte Leben in Rom einen Fragebogen dazu bekommen, wie wir das Leben in der Klausur gestalten. Da haben wir Benediktinerinnen im deutschsprachigen Raum eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben. Wir wollten gern bei der Auswertung einbezogen werden und uns bei einem Thesenpapier einbringen. Das haben wir zurückgemeldet und nie wieder etwas dazu gehört. Nun soll bereits ein Dokument dazu in Arbeit sein. Hier stellt sich die Frage, ob Frauen überhaupt ernst genommen werden.

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Wie viel bekommen Sie vom Leben ausserhalb des Klosters, auch von Frauen, mit ?

Sehr viel über unsere Gäste hier – gerade Frauen in schwierigen Situationen, die kommen, um ihr Leben zu sortieren. Sie suchen das Gespräch mit den Schwestern. Ich spreche auch mit Familienangehörigen, mit Freunden. Aber natürlich kenne ich vieles nur vom „Hören-Sagen“. Es gibt Parallelen. Auch hier gibt es Konflikte, unterschiedliche Meinungen zum Zusammenleben, mit den Schwestern in der Gemeinschaft, mit den Mitarbeitenden, früher mit den Schülerinnen der Bäuerinnenschule. Die Kompetenz zum Zusammenleben muss man entwickeln, man muss daran „schaffen“. Es ist hier wie in einer Familie, in einer Partnerschaft. Menschen ticken einfach gleich.

Wie sehen Sie die Zukunft hier?

Ich habe eine Gnade der Zuversicht und der Hoffnung, die mir geschenkt ist. Eine innere Gewissheit, dass es Sinn macht, dass wir hier sind. Das Kloster Fahr ist nicht nur eine Oase. Dies hier ist ein Ort, an dem über Jahrhunderte gebetet worden ist. Das Kloster Fahr wird auch in Zukunft ein Ort sein, an dem benediktinische Spiritualität gelebt wird. Das ist auch meine Sehnsucht. Der Heilige Benedikt fragt:

„Wer ist der Mensch, der das Leben liebt?“  Hier gibt es Frauen, die das Leben lieben. Die Menschen können spüren, dass Gott da ist, er liebt die Welt.

Was verstehen Sie unter dem Wort Spiritualität?

Benediktinische Spiritualität ist die Verbindung von Gebet, Arbeit, Lesung, Erholung – in einem klaren Rhythmus. Das Arbeiten, das Geerdetsein gehört für Benedikt dazu. Es geht nicht um eine abgehobene Meditation. Für die heutige Zeit wäre die Unterbrechung so wichtig. Wir lassen uns auf den Rhythmus ein, wir unterbrechen das Arbeiten, man darf – wenn die Zeit ist – einfach in die Kirche und „fährt runter“. Das erlebe ich als sehr wohltuend.

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Wie antworten Sie jemanden, der sagt „Beten bedeutet mir nichts“?

Es muss eine Sehnsucht da sein, eine Bereitschaft, in Beziehung mit Gott zu treten. Es geht nicht um den Rosenkranz oder eine Litanei oder um ganz viel Denken. Beten ist für mich etwas ganz vielfältiges, so vielfältig wie es Menschen gibt. Bei uns Benediktinerinnen ist es das gemeinsame Gebet, das Psalmen-Gebet zentral. Man muss aber nicht jedes Wort für auf die Goldwaage legen. Sich berühren lassen, reicht schon. So häufig passiert es mir, dass ich merke: Huch! Der Psalm passt jetzt auf meine Situation, obwohl ich ihn schon ganz oft gehört oder gebetet hatte. Das zeigt mir: Die Heilige Schrift ist lebendig. Das Wort Gottes ist aktuell.

Kloster Fahr
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