Kirche aktuell

Nicht einmal ein Papst kann alles alleine

Nicht einmal ein Papst kann alles alleine
Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ)
Daniel Kosch
Daniel Kosch
19. Januar 2015

Im Tagesanzeiger von Anfang Januar analysiert der Journalist Michael Meier das Tun des Papstes. Daniel Kosch antwortet auf den Artikel

Michael Meiers Analyse der Wirkungen und Erwartungen des Pontifikats von Franziskus unterscheidet zwischen einem „neuen Stil“ und einer „neuen Doktrin“. Und sie setzt voraus, ein „neuer Stil“ ohne „neue Doktrin“ wecke bloss falsche Hoffnungen. Das ist in doppelter Hinsicht fragwürdig:

  1. Der neue Stil des Papstes ist eine neue Form der Amtsausübung, profan gesprochen: eine andere Management-Philosphie, zu der Diskussion und Streit gehören und nicht „unfehlbares“ Regieren. Dazu gehören auch eine neue Personalpolitik, die nicht macht-orientiert ist, neue Reiseziele wie Lampedusa sowie eine andere, zugänglichere und angreifbarere Sprache. Das ist in einem symbolisch stark aufgeladenen Amt mehr als Kosmetik. Es ist eine andere Art, Papst zu sein. Wenn diese Art von den Kardinälen, Bischöfen und anderen Verantwortungsträgern übernommen wird, ändern nicht bloss ein paar Normen. Aus Monolog wird Dialog, aus einsamer Letztverantwortung geteilte Verantwortung, aus Kommunikation von oben nach unten wird Gespräch auf Augenhöhe. Auch Meinungsverschiedenheiten und offene Fragen gelten dann als „normal“ und mit dem Wahrheitsanspruch der Kirche vereinbar.
  1. Wollte der Papst rasche rechtsverbindliche Reformen, müsste er sie autoritär verordnen. Das würde im Ergebnis „progressiver“ wirken, wäre aber was das Amtsverständnis betrifft deutlich „konservativer“ als der eingeschlagene Weg. Denn dann bliebe es dabei: Hat der Papst gesprochen, ist die Sache entschieden. Entspricht das wirklich dem Kirchenbild und Amtsverständnis, das Michael Meier will?

Und vor allem: Wäre damit der Kirche auf ihrem Weg in die Zukunft wirklich gedient?

In einem Punkt gebe ich Michael Meier aber Recht: Wenn der neue „Stil“ auch auf Zukunft hin verbindlich und wirksam sein soll, braucht es strukturelle, rechtlich bindende Reformen, welche Zuständigkeiten und Einfluss anders verteilen: Einerseits zwischen Papst, Bischöfen, Seelsorgenden und Laien, anderseits zwischen römischer Zentrale und den Kirchen vor Ort. Eine solche neue Form des Kirchen-Managements auf Weltebene wäre erst noch zu entwickeln und zu erproben, würde aber die „Doktrin“ mit der Zeit nachhaltig verändern. Solches könnte Franziskus allein aber höchstens verfügen. Für die Umsetzung braucht es einen breiten Rückhalt und einen Kulturwandel. Nicht einmal ein Papst kann diesen allein durchsetzen, weil der neue Stil nur greift, wenn er wirklich in der Organisation verankert ist.

Strukturwandel und Stilwandel

Gelingen kann der Wandel, wenn beides in Gang kommt: der Strukturwandel und der Stilwandel. Und gelingen kann er, wenn nicht vom Papst allein gefordert wird, wofür es viele andere braucht. Und auch wenn das nach einer Durchhalteparole klingt: Wer weiss, wie schwer schon kleine Organisationen sich mit Veränderungen tun, wird anerkennen müssen, dass so ein Wandel viel Zeit braucht. Wer es wie wir Schweizer als normal ansieht, dass eine Regierungsreform des Bundesrates oder eine Föderalismusreform Jahrzehnte braucht, sollte von der Weltkirche nicht verlangen, dass sie Veränderungen, die für ihre Identität zentral sind, innerhalb von zwei, drei Jahren realisiert.

Hier ist auch ein Artikel von kath.ch zum Thema zu finden.