Kirche aktuell

Kleine Schuld? Grosse Schuld?

Kleine Schuld? Grosse Schuld?
Regula Bosshard
Diplomkatechetin für die Primarstufe, Mitarbeiterin von Relimedia
Regula Bosshard
20. März 2014

Mein Enkel sitzt bereits wieder mit seinen Eltern im Auto, um den Nachhauseweg anzutreten. Da höre ich ein Riesengebrüll. Der Kleine hat seiner Mutter den Zweifränkler gezeigt, den er bei mir im Haus vom Boden aufgehoben und in seine Hosentasche gesteckt hat. Meine Schwiegertochter ist entsetzt, dass ihr Sohn den Batzen, ohne ihn mir zu zeigen, mitgenommen hat. Sie besteht darauf, dass er ihn zurückgibt.

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Trotzend steht der kleine Junge vor mir. „Wo hast du den Batzen gefunden?“ frage ich ihn. „In deinem Schlafzimmer am Boden“, heulte er. „Was möchtest du denn mit dem Geld machen?“ versuche ich herauszufinden. „Ich will ihn ins Sparkässeli werfen.“ Am liebsten hätte ich meinem Enkel gleich noch einen zweiten Zweifränkler mitgegeben. Aber ich besinne mich meiner pädagogischen Verantwortung, auch als Grossmutter, und machte ihm den Vorschlag, dass wir uns den Batzen teilen könnten. Glücklich springt der Junge mit dem Frankenstück ins Auto zurück und zeigt ihn stolz seiner Mutter.

Schuld in einem ganz kleinen, alltäglichen Bereich. Dass Schuld aber schnell ganz andere Dimensionen annehmen kann, macht mir der Film „ Reusenheben “ bewusst.

Der Kurzspielfilm geht der Frage nach, ob Schuld in ihren unterschiedlichsten Formen gegeneinander aufgerechnet werden kann. Schuld, ein Begriff, der die menschliche Existenz ein Leben lang begleitet. Nicht nur in den Gerichtssälen wird über Schuld gesprochen, nein bereits auf den Spielplätzen verwenden Kinder diesen Begriff völlig unbefangen, wenn es darum geht, seine Mitspieler anzuprangern. In einfachen, aber direkten Bildern entwirft der Film ein spannendes Psychogramm zwischen einem Mörder und seinem Zeugen.

Zum Inhalt des Films

Ein etwa zehnjähriger Junge schwänzt die Schule, um Reusen heben zu können. Dabei wird er Zeuge eines Mordes und hilft dem Täter die Leiche im See zu beseitigen. Die ganze Zeit über hat er nur Angst, der Täter könnte ihn wegen des Schulschwänzens an seine Eltern verraten.

Anfangs beobachtet man als Zuschauer eine unberührte Schilflandschaft. Plötzlich kommt ein Junge ins Bild mit einem Schulranzen am Rücken. Er beobachtet Kleinstlebewesen, springt einem Hasen nach und stört eine Blindschleiche. Leise Gitarrenklänge untermalen das Geschehen, einzig unterbrochen von schreienden Vogelstimmen, welche einen aufhorchen lassen.

Der Junge nähert sich einem angeketteten Kahn und entdeckt gleichzeitig einen Mann in einem Anzug, welcher sich über eine regungslos daliegende Frau beugt. Schnell versteckt sich der Junge, aber es geht nicht lange, bis der Mann ihn entdeckt. Er fragt den Jungen, was er mit dem Boot machen wollte. „Reusen anschauen“ meint der Junge. Darauf geht der Mann zur Frau zurück. Sie ist tot.

Zusammen legen sie die Leiche ins Boot und der Junge zeigt dem Mann, wie man das Schloss knacken kann. Der Mann profitiert von den guten Kenntnissen des Jungen und an der tiefsten Stelle versenken sie die tote Frau. Dann setzen sie auf Wunsch des Jungen die Fahrt zu den Reusen fort. Eine ist leer, aber eine andere hat Fische drin, wie der Junge begeistert feststellt. Der Mann wundert sich, warum der Junge die Fische nicht mitnehmen will. Da verrät der Junge dem vertrauenswürdigen Mann, dass er die Schule geschwänzt hat. Der Mann verspricht ihm vage, ihn nicht zu verraten. Sie treffen noch einen Schwimmer an und am Ufer eine schlafende Frau. Der Mann bedeutet ihm mit dem Finger vor dem Mund, dass er ruhig sein soll.

Bei der Verabschiedung versichert sich der Junge nochmals, dass der Mann sicher nichts sagen würde. „Was denn?“ „Na ja, dass ich heute nicht in der Schule war.“ Als der Mann die Hand des Jungen nicht sofort loslässt, reisst sich dieser los und rennt davon….

Hier wird deutlich, dass der Junge sein eigenes Fehlverhalten, seine eigene Schuld, qualitativ mindestens genauso hoch einordnet wie den Mord. Nur darüber, was ihm als Folge seiner Schuld droht, macht er sich Gedanken….

Der kurze Spielfilm gefällt mir ausserordentlich gut. Der Autor spiegelt ein Ereignis von zwei verschiedenen Perspektiven aus und verwendet so ein Mordmotiv, um über eigene Schuld nachzudenken. Der Film eignet sich ausgezeichnet für die Oberstufen-, Konfirmanden- und Jugendarbeit, aber auch für die Erwachsenenbildung.

Reusenheben: Nach der gleichnamigen Erzählung von Wolfdietrich Schnurre, 19 Minuten, Österreich 1999 Regie und Drehbuch: Henrik Schlottmann.

Diesen Film gibt es bei Relimedia in Verleih, Verkauf und Download dazu gibt es eine ausführliche Arbeitshilfe (PDF) auf DVD.ROM