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Ist Aktionärsdemokratie eine Illusion?

Ist Aktionärsdemokratie eine Illusion?
Paulus-Akademie
Die Paulus-Akademie ist ein Forum für Religion, Ethik, Gesellschaft und Politik. Als Teil der Katholischen Kirche im Kanton Zürich bietet sie einen Ort für Dialog und Reflexion und stellt Fragen unserer Zeit zur Diskussion – differenziert, interdisziplinär und kritisch. Hier im Blog schreiben Studienleiter und -leiterinnen in lockerer Folge zu Themen, die sie bewegen und beschäftigen.
Paulus-Akademie
18. März 2015

Aktien sind wieder gefragt: Angesichts der Tiefzinspolitik der Zentralbanken bringen klassische Sparformen wie Sparbüchlein und Kassenobligationen keinen Ertrag mehr. Die Aktienanlage ist zwar riskanter, doch hofft der Kleinanleger beim Kauf seiner Aktien auf eine gute Dividende und auf steigende Kurse. Bei einigen Unternehmen gibt es bei der Generalversammlung auch einen „free lunch“ oder ein „Schoki-Paket“, was zahlreiche Kleinaktionäre als „Zugabe“ gerne mitnehmen.

Vielleicht träumt der eine oder die andere auch davon, als Aktionärin oder Aktionär die Geschicke des Unternehmens mitbestimmen zu können. Weite Teile der Bevölkerung übertragen ihr Idealbild von der Demokratie auf die Eigentumsverhältnisse eines Unternehmens. Ähnlich einer Landsgemeinde als Versammlungsstätte mündiger Bürger erwartet man an einer Generalversammlung verantwortungsvolle und firmentreue (Klein-)Aktionäre, die um das langfristige Wohl des Unternehmens ringen und nach ihrem besten Wissen und Gewissen abstimmen.

Rendite statt Romantik

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Statt „one man, one vote“ zählt bei einer Generalversammlung der jeweilige finanzielle Einsatz; nicht die physisch präsenten Kleinaktionäre geben den Ausschlag, sondern die Stimmenpakete grosser institutioneller Investoren. Das langfristige Schicksal des Unternehmens ist dabei für einen Grossteil der Aktionäre von geringem Interesse. Sie halten die Aktien nicht, weil sie sich mit dem Unternehmen identifizieren, sondern weil sie mit ihm bestimmte Rendite-Erwartungen hegen. Alles andere sind romantische Vorstellungen.

Sie sagen, das ist mir egal; ich habe doch keine Aktien? Dann sage ich Ihnen: Über Ihre Pensionskasse sind auch Sie Aktionärin oder Aktionär. Pensionskassen halten gemäss ihrer Anlagestrategie auch Aktien von Unternehmen oder Anteile von Aktienfonds. Nach der Annahme der Minder-Initiative sind Pensionskassen verpflichtet, ihre Aktionärsrechte im Interesse ihrer Versicherten auszuüben und ihre Stimmabgabe offenzulegen.

Doch was sind die Interessen der Pensionskassen-Versicherten? Dass das Unternehmen einen hohen Gewinn erzielt respektive eine hohe Dividende an die Pensionskasse ausbezahlt? Dass das Unternehmen sozial- und umweltverträglich wirtschaftet? Weil insbesondere kleinere Pensionskassen bei diesen Fragestellungen schnell einmal überfordert sein können, entsteht gegenwärtig ein neuer Geschäftszweig: Institutionelle Stimmrechtsberater bieten sich den Pensionskassen an, um ihnen Informationen und Abstimmungsempfehlungen zu geben. Damit üben sie viel Macht aus.

Zwei Veranstaltungen der Paulus-Akademie informieren über diese neuen Entwicklungen rund um die Aktie:
Donnerstag 26. März 19:00 – 20:30 –> hier geht es zum Flyer
Dienstag 14. April 19:00 – 21:00      –> hier geht es zum Flyer

Stephan Wirz

Stephan Wirz ist Studienleiter für den Bereich Wirtschaft und Arbeit bei der Paulus-Akademie Zürich.