Kirche aktuell

Im Norden etwas Neues?

Im Norden etwas Neues?
Michel Müller
Kirchenratspräsident
Michel Müller
07. November 2016

Ein Gastbeitrag des Zürcher Kirchenratspräsidenten Michel Müller zum lutherisch-katholischen Reformationsgedenken in Lund.

Der Papst besucht den Lutherischen Weltbund in Schweden am Reformationstag. Und was meint dazu der Zürcher Kirchenratspräsident? Dass ich vom katholischen Blog gefragt werde, ist mir Freude und Ehre zugleich. Aber sie bringt mich auch in Schwierigkeiten. Denn im Unterschied zu Vielen empfinde ich wenig Begeisterung und bin bisher dem Charme des «Buona sera»-Papstes auch nicht erlegen. Gut zwinglianisch bleibe ich eine kritische Spassbremse. Den Leserinnen und Lesern sei also ein Warnhinweis beim Weiterlesen mitgegeben.

Denn die Frage ist berechtigt: Was hat das Ganze mit uns Reformierten zwinglianischen oder calvinistischen Ursprungs zu tun? Wie seit 500 Jahren üblich, tauchen sofort Befürchtungen auf: Machen da die Lutheraner mit den römischen Katholiken ein «Päckli»?

«Besser katholisch als mit den Schweizern» meinte schon Luther sinngemäss.

Doch sollten solche Ängste nicht mittlerweile überwunden werden können? Denn seit gut 40 Jahren, seit der «Leuenberger Konkordie» von 1973 sind Lutheraner, Reformierte und Methodisten miteinander verbunden und haben Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Sie haben Einheit verwirklicht, aber auf evangelische Weise, nämlich nicht «volle sichtbare Einheit», sondern «Einheit in versöhnter Verschiedenheit».

Ist dann die Sehnsucht nach «voller Einheit», die ein gemeinsame Eucharistie erst ermöglichen soll, irgend etwas Neues, oder nicht nur freundlich das immer Gleiche gesagt: Ohne sichtbare Einheit unter dem römischen Oberhaupt und mit Anerkennung des römisch-katholischen Amtsverständnisses gibts kein gemeinsames Abendmahl. Und die Sehnsucht nach «voller Einheit» kann dann durchaus fast als Drohung verstanden werden. Freundlicher als mit einer Umarmung der schwedischen lutherischen Bischöfin kann man nicht drohen…, um dann auf dem Heimflug nach Rom zu betonen, die Frauenordination stehe nicht zur Debatte! Nicht und nie! Obwohl die schwedischen Frauen ganz ganz starke seien… Wird demnach erwartet, dass die Protestanten die Frauenordination mittelfristig wieder aufgeben? Die Lutheraner in Lettland haben den Schritt schon getan. Ist die Frauenordination wirklich eine «Zumutung», wie ein katholischer Priester kürzlich einer Zürcher Pfarrerin und Mitglied der Dekanenkonferenz gesagt hat?

Seit gut 40 Jahren haben wir in der Schweiz auch die gegenseitige Taufanerkennung. Wir beten das Unservater, pardon Vaterunser mit demselben Text, wenigstens auf deutsch.

Das sind und bleiben hoffentlich wichtige Zeichen der Einheit und Verbundenheit in Christus. Das Amtsverständnis trennt uns. Solange das Geschlecht und der Zivilstand einer Person dafür bestimmend sein soll, wer dem Abendmahl vorsteht, wer Christus repräsentiert («in dem weder Mann noch Frau ist», wie Paulus schreibt in Galater 3,28) solange kann man nicht gemeinsam feiern. Das schliesst gegenseitige Besuche und Einladungen aber nicht aus, die sogenannte eucharistische Gastfreundschaft.

3207fddc-fcfd-4e36-999b-d29a3658bb0b

Wenn Papst und Lutheraner ganz ähnlich formulieren «Vielmehr haben wir gelernt, dass das uns Verbindende größer ist als das Trennende», wie im Zürcher Oekumenebrief von 1997 Kirchenratspräsident Ruedi Reich und Weihbischof Peter Henrici «Längst ist uns bewusst, dass unsere Kirchen viel mehr miteinander verbindet als trennt.», so kann doch gehofft werden. Und deshalb schliesse ich meinen Kurzkommentar mit den für mich stärksten Abschnitten der gemeinsamen Erklärung von Lutheranern und katholischer Kirche. Gleich am Anfang heisst es: «Während wir eine tiefe Dankbarkeit empfinden für die geistlichen und theologischen Gaben, die wir durch die Reformation empfangen haben, bekennen und beklagen wir vor Christus zugleich, dass Lutheraner und Katholiken die sichtbare Einheit der Kirche verwundet haben.» Vor allem den ersten Teil habe ich so noch nie gehört. Aus der Dankbarkeit heraus werden wir frei, auch Fehler und Verwundungen zu bekennen. Deshalb schliesse ich mit dem Dank für die Treue zur reichen christlichen Tradition in Liturgie und Theologie, die die römisch-katholische Kirche bewahrt hat, und auch mit dem Dank für die vielfältige Zusammenarbeit in Seelsorge und Diakonie, die wir gerade hier bei uns in Zürich pflegen und weiter entwickeln im Dienst für ein glaubwürdiges Christuszeugnis. Wie es in der gemeinsamen Erklärung ganz am Schluss heisst:

«In Christus verwurzelt und ihn bezeugend erneuen wir unsere Entscheidung, treue Boten von Gottes grenzenloser Liebe für die ganze Menschheit zu sein.»

Dazu kann ich nur «Amen» sagen!