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Hymnisches Oratorium: Uraufführung in Rheinau

Hymnisches Oratorium: Uraufführung in Rheinau
Frühere Informationsbeauftragte Synodalrat
Kerstin Lenz

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Kerstin Lenz
11. Juni 2015

Die Klosterkirche Rheinau ist in den letzten Monaten aufwendig saniert worden und erstrahlt nun wieder im neuen Glanz. Das war für den Rheinauer Komponisten und Flötisten Ulrich Gasser (65) Anlass und Antrieb genug: Er hat eigens für die Eröffnung nach der Kirchensanierung ein Oratorium geschrieben. Dieses wird am Wochenende (13. und 14. Juni) erstmals aufgeführt.

Ulrich Gasser, Foto: Gabriele Heidecker

Ulrich Gasser, Foto: Gabriele Heidecker

Ulrich Gasser, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Oratorium für die Klosterkirche Rheinau zu schreiben?

Meine Frau, die hier reformierte Pfarrerin ist, und ich fanden, die Einweihung sollte nicht nur geistlich, sondern auch musikalisch erfolgen. Mit dieser Idee stiessen wir in der katholischen Kirchgemeinde auf offene Ohren. Und so kommt nun das Oratorium «Exvoto – ein Magnificat» zur Uraufführung. Meine Frau, Eva Tobler, hat die Texte zusammengestellt und zum Teil neu geschrieben, ich habe es komponiert. Wir haben auch von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und vielen weiteren Sponsoren grosszügige finanzielle Unterstützung erhalten, so dass wir rund 90 Ausführende aus der näheren und weiteren Umgebung Rheinaus engagieren konnten. Die Solisten des Vokalensembles Zürich, der Cäcilienchor Rheinau, der Bach-Chor Konstanz, der Brass Band Posaunenchor Marthalen, drei Organisten, ein Streichtrio sowie Horn und Harfe führen das Oratorium auf.

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Was ist «Exvoto» genau für ein Werk?

Bei einem Oratorium handelt es sich formal um ein grosses Werk für Soli, Chor und Orchester. Inhaltlich wird normalerweise eine Geschichte erzählt. Im vorliegenden Werk «Exvoto – ein Magnifikat» folgen sich im ersten Teil die traditionellen, im Rosenkranz vorkommenden Gebete – also das Vater unser, ein Ave Maria, das Gloria Patri und das Glaubensbekenntnis. Der zweite Teil nimmt einerseits Texte aus den Votivtafeln auf, die in der Rheinauer Kirche hängen, andererseit die als «Geheimnisse» – freudenreiche, lichtreiche, schmerzhafte und glorreiche – bezeichneten Glaubenssätze zum Leben Jesu. Im Zentrum aber steht das Magnificat , zugleich Lobgesang und Dankgebet. Das Oratorium ist aber ökumenisch geprägt: Der Lobgesang Marias ist in gut reformatorischer Tradition in die gegenwärtige Zeit hinein erweitert. So heisst es da zum Beispiel «Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Erniedrigten», oder: «Gottes Geist sprang in mein Ohr und ich rief: Mir geschehe, was immer du willst», oder: «Weil ein Engel, lächelnd, meine Schulter berührte.»

Wie würden Sie Ihre Musik im Oratorium beschreiben?

Musik zu beschreiben ist immer schwierig – im Zentrum stehen die Singstimmen in den vielfältigsten Kombinationen. Soli, Duette, Trios, Ensembles, Chöre. Ein zweiter Schwerpunkt bildet die Brassband Marthalen, die dem ganzen einen gewissen «volkstümlichen Charakter» verleiht. Eine so wohl kaum je wieder zu hörende Farbigkeit entsteht durch die zwei historischen Orgeln in alter Stimmung und das Orgelpositiv in moderner Stimmung. Drei Streicher, Horn und Harfe setzen weitere klangliche Akzente. Der Text geht ja formal vom Rosenkranz aus, und dieser ist bestimmt durch das Prinzip Wiederholung. Es gibt also viele Wiederholungen, die zu einem eher meditativen Hören, zu einer Art «Gebetshaltung» führen sollen. Da das Werk aber auch Lobgesang ist, gibt gewaltige Aufschwünge, hymnische, mitreissende Klänge.

Ein Hörbeispiel, Fries der Lauschenden, von Ulrich Gasser

Und der Titel «Exvoto» – woher kommt dieser?

Das betrifft die erwähnten Votivtafeln: Ex voto bedeutet aus dem Lateinischen übersetzt «aufgrund eines Gelübdes». Damit sind Gaben bezeichnet, die in früheren Zeiten als symbolisches Opfer für die wundersame Rettung aus einer ausweglosen Notlage dargebracht wurden. Besonders beliebt waren gemalte Tafeln, die sich an Gott, den Heiligen Geist, Maria oder an einen Heiligen richteten. Beispiel einer solchen Votivtafel in der Kirche Rheinau: «Herr Conrad Götz, Offizier in der französischen Armee, stürzte am 18. Dezember 1793 mit seinem Pferd den Berg hinunter in den Volkenbach. Er blieb aber samt dem Pferd durch ein Wunderwerk des Heiligen Fintan unverletzt.» Der irische Mönch Fintan ist der Heilige des Klosters Rheinau, der hier im 9. Jahrhundert lebte. ( Video zu Fintan aus www.heiligerderschweiz.ch)

Wie fühlen Sie sich nun, einige Tage vor der Aufführung inmitten intensiver Probenphasen?

Wir proben jetzt täglich in der Kirche, und die Spannung ist natürlich enorm. Wunderbar ist der Einsatz und die Begeisterung Mitwirkenden, das schafft eine grosse Energie. Aber da es sich um eine höchst komplexe Raummusik handelt, sind auch ungewöhnliche Schwierigkeiten zu überwinden. Doch wir sind auf bestem Weg!

Musikalische Aufführung in der Klosterkirche. Foto: A. Rutz

Musikalische Aufführung in der Klosterkirche. Foto: A. Rutz

Sie sind als zeitgenössischer Schweizer Komponist vielseitig tätig – was bedeutet Ihnen geistliche Musik?

Geistliche Musik im weitesten Sinn verstanden – also längst nicht nur Musik für den Gottesdienst oder für den Kirchenraum, sondern auch Musik für den Konzertsaal, doch mit geistlichen Inhalten – ist für mich seit jeher zentral. Unterhaltungsmusik höre ich zwar gerne, wie wohl jedermann und jedefrau, aber wenn ich komponiere und Menschen für diese Musik arbeiten lasse und dann auch noch erwarte, dass Menschen kommen, Eintritt bezahlen und intensiv zuhören sollen, dann geht es um mehr. Ich meine, dann muss es um Existentielles gehen, um unseren innersten Ausdruck als Menschen des 21. Jahrhunderts, als Ausdruck unserer Zeit – und in diesem Werk: um Lob und Dank.

 

Oratorium in der Klosterkirche Rheinau

13. Juni: Beginn Aufführung 19.30 Uhr ,
Einführung des Komponisten um 18.45 Uhr

14. Juni: Beginn Aufführung 17.30 Uhr ,
Einführung des Komponisten um 16.45 Uhr

Zum besseren Verständnis des Oratoriums wird ein Programmheft mit dem vollständigen Text und weiteren Informationen abgegeben. Das Oratorium bildet im Übrigen den Auftakt zu den « Rheinauer Konzerten 2015 »: Im Sommer folgen in der prachtvollen barocken Klosterkirche noch drei weitere Chorkonzerte und ein Orgelkonzert.

Karten-Reservation: Angela Gsponer, Rheinau, Telefon 052 319 13 88 (abends) oder kontakt@rheinauerkonzerte.ch