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Geist und Welt - ein Kunstwerk

Geist und Welt - ein Kunstwerk
Redaktionsteam
Katholische Kirche im Kanton Zürich
Die Beiträge im Blog geben die Haltung der Autoren wider und müssen nicht in jedem Fall mit der offiziellen Haltung der kirchlichen Körperschaft übereinstimmen.
Katholische Kirche im Kanton Zürich
15. September 2015

Als Geschenk zum 70. Geburtstag von Generalvikar Josef Annen liess der Synodalrat vom bekannten Glaskünstler Horst Thürheimer den Eingangsbereich des Centrum 66 neu gestalten. Die grossformatigen Glaskunstwerke zum Thema „Geist und Welt“ machen neugierig und laden ein, den Blick von innen nach aussen – oder umgekehrt – von aussen nach innen zu wagen. Zur Vernissage vermittelte Prof. Dr. Adrian Schenker, Dominikaner, emeritierter Professor der Universität Freiburg einen spirituellen Impuls zum Kunstwerk. Was den Künstler Horst Thürheimer und Generalvikar Josef Annen unmittelbar miteinander verbindet, ist der Wahlspruch „Geist und Welt“, den Josef Annen gewählt und als Vorgabe für den Künstler für die Glasfenster bestimmt hatte.

Hielt eine inspirierende Ansprache: der emeritierte Professor für Altes Testament, Dominikaner Adrian Schenker

Hielt eine inspirierende Ansprache: der emeritierte Professor für Altes Testament, Dominikaner Adrian Schenker

Folgende Gedanken stellte Prof. Dr. Adrian Schenker in den Mittelpunkt:

Der Geist im Haus der Verwaltung

„Es überrascht, dass ausgerechnet ein Haus der Verwaltung unter das Vorzeichen von Geist und Welt gestellt werden soll. Verwaltungen und Ämter sind im allgemeinen ja nicht wegen des Geistes berühmt, der in ihnen braust und weht. Der Amtsschimmel wirkt auf die Mitwelt nicht besonders geistbewegt. Man hat in Zürich in diesem Haus auch aus höheren Amtsstuben Erlasse erhalten, denen man den Geist weniger gut angesehen hat. Aber auf der andern Seite: wo wäre denn der Geist nötiger als dort, wo Verwaltung in den Dienst der Menschen gestellt werden soll?

Geist ist das Verhältnis zur Welt, zu den Mitmenschen und zu sich selbst. Er hat zwei Seiten, die inneren Augen, die wahrnehmen, was da ist, und das Licht, in welchem alles sichtbar wird.

Generalvikar Josef Annen freut sich über das Glaskunstwerk

Generalvikar Josef Annen freut sich über das Glaskunstwerk „Geist und Welt“

Daher die wunderbare Idee von Glasbildern in diesem Haus. Auf sie fällt der Blick der Eintretenden sofort. In das Centrum 66 kommt man für Sitzungen, Sekretariate, Kommissionen. Hier wird verwaltet, d.h. Probleme und Fragen des Lebens werden hingebracht in der Hoffnung auf eine gute Lösung oder auch in einem Zorn, der sich Luft machen will.

Doch statt sogleich auf die Tafel zuzusteuern, wo Stock und Büronummer angeschrieben sind, fällt der Blick zuerst auf die gegenüber liegenden Fenster. Da hält man dann vielleicht inne! Das Licht und die Farben sind so etwas wie das Stoppsignal im Verkehr. Es unterbricht die Bewegung. Das ist dann Geist in der Welt, Geist im Amtsgebäude.

Vom Geschäft erhebt sich der Gedanke zum Horizont empor, der alle Geschäfte umfängt und ein wenig relativiert. Die geheimnisvollen Bilder erfüllen den ganzen Eingang und sind wie eine Anrede an die Eintretenden, die einen Moment lang aus ihren Absichten herausgerissen werden.

Ist das nicht wie das Bild Gottes, das sein Licht in die geschlossene Welt der Sorgen und Wünsche hineinstrahlt und verändert?

Em. Weihbischof Peter Henrici lässt sich vom Glaskunstwerk inspirieren

Em. Weihbischof Peter Henrici lässt sich vom Glaskunstwerk inspirieren

Glasfenster prunken nicht, sie sind Seele

Die Glasbilder befinden sich in einer schlichten Eingangshalle. Es ist kein Vestibül einer Bank oder eines millionenschweren Sportverbandes, wo es von Marmor und vergoldeter Bronze nur so glitzert und wo ebenfalls Kunstwerke aufgestellt sind. Deren Funktion ist es, den Reichtum und die Kulturbeflissenheit des Hauses zu zeigen. Alles ist da, um die Eintretenden zu beeindrucken. Die Besucher sollen vor solcher Herrlichkeit klein werden. Es sind Tempel von wirtschaftlicher und öffentlicher Macht.

Hier im Centrum 66 war eine Schule. Diese frühere Berufung kann das Gebäude nicht ganz abstreifen. Es wirkt alles bescheiden. Die neuen Glasfenster prunken nicht! Sie sind Seele.

Vielleicht dürfen wir den Wahlspruch abwandeln und sagen: Seele und Welt. Seele hat wie Geist ebenfalls zwei Seiten: sie belebt von innen heraus, und sie ist Quelle und Sitz von Empfindungen.

Passt Seele aber zu einem Verwaltungshaus mit seinen Computern, Kopiergeräten und Telefonnetz? Sie passt auf jeden Fall zu Menschen und ist ein kostbarer Schatz bei denen, die im Dienste von Verwaltungsaufgaben stehen. Die Erfahrung machen wir ja alle. Wenn wir an Schaltern und in Büros Menschen antreffen, die Verständnis haben und helfen wollen, sind wir fast wie im Paradies.

Ich kenne tatsächlich einen Doktoranden, der aus dem Ausland zu uns an die Universität kam und wie jeder neu Angekommene administrative Gänge machen musste. Er musste nicht lange warten, wurde nicht von einem Schalter zum anderen geschickt, bekam verständliche Auskunft, wurde sogar in seiner eigenen Sprache angeredet, wurde beraten usw. Er kam zu mir und sagte fast fassungslos: „Das ist ja das Paradies auf Erden!“

Hirtenamt braucht Heiligen Geist

Es ist Ihnen klar, warum ich hier davon rede. Ich hatte persönlich nicht viele Angelegenheiten im Centrum 66 zu regeln. Ich wohne ja weit weg von Zürich, und als Kind und Schüler in Zürich gab es das Zentrum als Sitz des Generalvikars noch nicht.

Aber ich höre einiges von der Atmosphäre des Hauses. Geist in der Welt, Seele in der Welt: eigentlich müsste es ja heissen: Geist und Seele in der Brust, im Herzen! Dort, wo mehr als in einem Haus, wohnen Geist und Seele. Oder besser: von dort gehen sie hinüber in ein Bild — wie hier in die Glasfenster von Horst Thürheimer — und in ein Haus, in eine Verwaltung, ebenfalls wie hier dank Josef Annen.

Eine echte Laudatio muss wahr sein. Hohle Komplimente machen ein Lob wurmstichig. Sie muss auch kurz sein, weil zu viele Worte verlegen machen. Daher möchte ich nichts hinzufügen, sondern Ihrem Dank, den Sie alle tief empfinden, eine Stimme verleihen.

Es braucht den Heiligen Geist, um ein Hirtenamt in der Kirche in so schwieriger Zeit gut zu verwalten und ihm eine Seele zu geben.

Generalvikar Josef Annen bedankt sich bei Festredner Prof. Dr. Adrian Schenker

Generalvikar Josef Annen bedankt sich bei Festredner Prof. Dr. Adrian Schenker

Geist und Welt sind bedroht

Lassen Sie mich schliessen. „Geist und Welt“ ist der Wahlspruch von heute Abend. Er ist in der Welt vielfach bedroht, nicht nur in Palmyra und Syrien, sondern auch bei uns und — daran müssen wir immer denken — auch in uns selber. Das erinnert uns daran, dass er eine Gnade ist, d.h. ein unverdientes Geschenk. Wir müssen darum bitten, dafür beten. Wenn er uns durch Mitmenschen vermittelt wird, dann sind wir diesen zu grossem Dank verpflichtet.“

Der 64-seitige Bildband zum Kunstwerk „Horst Thürheimer – Geist und Welt“ stimmt in die Glasbilder ein und vermittelt die religiösen Motive des Künstlers.

Zu beziehen für CHF 24.80  bei: Buchhandlung Strobel, Weinbergstrasse 20, 8001 Zürich, Tel. 044 252 52 77, info@buchhandlung-strobel.ch

http://www.buchhandlung-strobel.ch/