Kirche aktuell

Gastfreundschaft in konfessionsverbindenden Ehen

Gastfreundschaft in konfessionsverbindenden Ehen
Josef Annen
Josef Annen
04. September 2014

Die Gastfreundschaft in konfessionsverbindenden Ehen ist mir ein wichtiges seelsorgerliches Anliegen. Deshalb lege ich hier Gedanken aus pastoraltheologischer Sicht etwas ausführlicher dar.

Es war im Juni vergangenen Jahres. Reformierte Pfarrer, katholische Priester und ein orthodoxer Geistlicher laden zur Ökumenischen Tischgemeinschaft nach Gfenn bei Dübendorf ein. Die Initianten melden ihr Vorhaben dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Papst Franziskus in Rom und dem Erzbischof von Canterbury. Die „Ökumenische Reformation“ ist angebrochen, hiess die Schlagzeile. Radio, Fernsehen, Presse berichten über das bevorstehende Ereignis.

Als Generalvikar beziehe ich Stellung und sage:
„Interzelebration und Interkommunion bedeutet für die katholische Kirche: Die christlichen Kirchen sind sich in Bezug auf Glaubensbekenntnis, Sakramente und die Ämterfragen einig und können folglich gemeinsam Eucharistie feiern. Wir sind aber nicht so weit. Nur eine begrenzte eucharistische Gastfreundschaft ist möglich.“

Ein Sturm der Entrüstung geht durch den Pressewald.

Welche Schlüsse ziehe ich aus diesem Ereignis?

Mir ist mit der Initiative Ökumenische Tischgemeinschaft erneut sehr deutlich geworden, wie dringend weitere ökumenische Schritte sind. Weit mehr als die Hälfte der Ehen im Kanton Zürich sind konfessionell gemischte Ehen. Dass Interzelebration und Interkommunion nicht möglich sind, kann ich interessierten Gläubigen einigermassen verständlich machen. Aber es gelingt mir nicht, deutlich zu machen, warum Paare einer konfessionsverbindenden Ehe nicht an der Eucharistie teilnehmen können. Die eucharistische Gastfreundschaft wird zwar in der Praxis weitgehend gelebt, aber die geltenden Richtlinien der römisch- katholischen Kirche kennen nur eine lediglich sehr eingrenzte eucharistische Gastfreundschaft. (1)

Offene Fragen – nicht überzeugende Antworten

Ehepaare, die katholisch geheiratet haben, die Kinder katholisch taufen lassen, am Leben der Kirche aktiv teilnehmen und ihre Ehe bewusst christlich leben wollen, möchten auch aus der Gemeinschaft mit Christus in der Eucharistie leben. Durch das Band der Taufe sind sie Glieder der einen Kirche Jesu Christi. Im sakramentalen Bund der Ehe bezeugen sie die Treue Jesu Christi zu seiner Kirche. Wieso führt der Bund mit Christus am Tisch des Herrn zu getrennten Wegen?

Die Seelsorger kennen die kirchenoffiziellen Antworten, aber sie machen die Erfahrung, dass diese in der Praxis nicht zu überzeugen vermögen.

Die Antwort lautet: Die Teilnahme an der Eucharistie setzt die volle Kirchengemeinschaft voraus. Die eucharistische Gemeinschaft ist nicht nur Gemeinschaft in Christus, sie ist immer auch volle Gemeinschaft mit der real existierenden Kirche.

So richtig diese Antwort auch ist, der jetzige Kardinal Kurt Koch hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass der Schwachpunkt dieser Argumentation darin liegt, die Eucharistiegemeinschaft mit nichtkatholischen Christen gleichsam auf den Jüngsten Tag zu verschieben und zu vergessen, dass die Eucharistiegemeinschaft auch Nahrung und Kraftquelle für grössere und verbindlichere Kirchengemeinschaft ist. (2)

Kardinal Kurt Koch

Kardinal Kurt Koch bekommt in Rom das Jubiläumsbuch „Katholiken im Kanton Zürich. eingewandert, anerkannt, gefordert“

Wo ist diese grössere und verbindlichere Kirchengemeinschaft mehr am Wachsen als in der konfessionsverbindenden Ehe?

Die konfessionsverbindende Ehe ist Hauskirche, und Kirche baut sich aus der Eucharistie auf.
Weitere offizielle Antworten lauten: Eucharistische Gemeinschaft mit Christus muss nicht unbedingt über den Empfang der Hostie geschehen, es gibt auch den geistlichen Kommunionempfang. Und nicht zuletzt: Der nichtkatholische Ehepartner ist selbstverständlich zur Eucharistie eingeladen, zum Kommunionempfang kann er mit verschränkten Armen treten und den Segen empfangen. Gläubigen, die dieser Argumentation folgen können, gilt alle Achtung. Ob die Antwort in unseren Breitengraden zu überzeugen vermag, darf zumindest bezweifelt werden.

Wie also weiter?

Gemäss dem ökumenischen Direktorium gewährt die katholische Kirche die Eucharistiegemeinschaft einzig jenen Gläubigen, „die mit ihr in der Einheit des Glaubens, des Gottesdienstes und des kirchliche Lebens stehen.“(3)
Auf der anderen Seite betonen hohe Kirchenvertreter immer wieder: Niemand wird an der Kommunionbank abgewiesen.

Wie erkläre ich Gläubigen, dass zwar niemand abgewiesen wird, aber die Richtlinien den Kommunionempfang untersagen?

Bekannt ist auch die Faustregel von Kardinal Christoph Schönborn : Voraussetzung zum Kommunionempfang durch Nichtkatholiken ist ihr Ja zum Inhalt des Hochgebetes.

Ausweg aus dem Dilemma

Die katholische Kirche im Kanton Zürich und die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Zürich haben unter Federführung von Weihbischof Peter Henrici und dem verstorbenen Kirchenratspräsidenten Ruedi Reich in ihrem Ökumenebrief von 1997 einen Ausweg versucht und festgehalten:

„In manchen Gemeinden beider Konfessionen wird schon heute als Vorwegnahme dieser Einheit eucharistische Gastfreundschaft geübt. Sinn dieser Gastfreundschaft kann es nicht sein, dass Menschen unvorbereitet am Mahl teilnehmen. Vielmehr soll das Gewissen jedes und jeder Einzelnen respektiert werden, damit sie nach redlicher Selbstprüfung im Sinne ihrer Konfession am Mahl teilnehmen.“(4)

Was Gastfreundschaft nicht zuletzt spirituell bedeuten könnte, hat der damalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf dem Katholikentag in Aachen im Jahre 1987 formuliert:
„Wenn die Ökumene dazu hilft, sich gegenseitig im Glauben zu bestärken, wächst sie an Glaubwürdigkeit. Es wäre ein Geschenk, wenn es uns dabei auch gegeben wäre, uns gegenseitig bei Gottesdienst und Feier der Messe als Gäste voll zuzulassen. Ein Gastrecht ist noch nicht die Einheit, die nur Gott uns geben kann. Wer aber den Gast, der nicht zur Familie gehört, aufnimmt und ihn wirklich einbezieht, greift er Gott vor? Im Gedanken der Gastfreundschaft gibt weder der Gastgeber noch der Gast das jeweils Eigene auf. In ihr wird aber das Ferne nahe, das Fremde vertraut, der Fremde wird der Nächste.“ (5)

Quellen:
1) Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus , Nr. 129-136.
2) Kurt Koch, Gelähmte Ökumene. Was jetzt noch zu tun ist, Freiburg 1991, 218.
3) Direktorium (wie Anm. 1), Nr. 129.
4) Zitiert in: Alfred Borter u.a.: Katholiken im Kanton Zürich, Zürich 2014, 215.
5) Koch, Gelähmte Ökumene (wie Anm. 2), 234.

Dieser Beitrag ist auch in der Schweizerischen Kirchenzeitung Nr 36/2014 vom 04.09.2014 erschienen