Kirche aktuell

Die Kirche und ihr Geld – ein Spannungsfeld

Die Kirche und ihr Geld – ein Spannungsfeld
Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ)
Daniel Kosch
Daniel Kosch
11. April 2014

Da ich als Generalsekretär der RKZ viel mit Kirchenfinanzen zu tun habe, begrüsste mich ein Kollege vor einiger Zeit mit den Worten «Da kommt das Portemonnaie der Kirche Schweiz». Und weil angesichts der vielen Aufgaben der Kirche auf schweizerischer Ebene die knappen Finanzen immer ein Thema sind, müsste ich eigentlich sagen: Je mehr Geld, desto besser. Die Kirche hat viele wichtige Aufgaben für die Gesellschaft – und demzufolge braucht sie auch ausreichende Mittel. «Money makes the Church go round», könnte in Anlehnung an den bekannten Song von Liza Minelli die «Organisationshymne» der staatskirchenrechtlichen Körperschaften sein.

Gott ist erfahrbar im geteilten Brot

Allerdings sind die Dinge für mich in Wirklichkeit komplizierter. Denn als Christ und Theologe glaube ich, dass es nicht das Geld ist, das die Kirche am Leben hält – sondern Gott. Genauer gesagt: Der Gott der Bibel, jener Gott, den Jesus von Nazareth verkündigte und erfahrbar machte: im geteilten Brot,

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im Gleichnis vom Senfkorn, in der Bergpredigt, die er mit einem Glückwunsch an die Armen begann: «Selig, ihr Armen, denn Euch gehört das Reich Gottes!» Und zwischen diesem Gott und dem « Mammon » besteht ein Spannungsverhältnis . Ganz krass kommt es zum Ausdruck, wo es im Evangelium heisst: «Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.» Auch die praktischen Schlüsse, die das Evangelium aus diesem Spannungsverhältnis zieht, sind herausfordernd. Die Jünger werden von Jesus mittel- und schutzlos ausgesendet, die gute Nachricht zu verkünden: «Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe!»

Spannung zwischen zwei Wirklichkeiten

Nicht nur Kirchenfinanzmanager, die gleichzeitig Theologen sind, sondern die Kirchen als Institutionen und all ihre Mitglieder müssen sich diesem Spannungsverhältnis stellen. Es ist nicht nur eine Spannung zwischen «Theorie» und «Praxis» , zwischen «Ideal» und «Wirklichkeit», sondern auch eine Spannung zwischen zwei Wirklichkeiten: Die insgesamt wohlhabende katholische Kirche in der Schweiz ist Teil einer Weltkirche, zu der viele arme Ortskirchen gehören. Und sie ist Teil einer Gesellschaft und einer Welt, in der viele Menschen arm, hungrig und durstig sind.

Wer angesichts dieser Herausforderung durch die Not der Welt und die Vorliebe Gottes für die Armen fordert, die Kirchen sollten auf Kirchensteuern und Staatsbeiträge verzichten und selber arm werden, macht es sich zu einfach. Denn die Folge eines solchen Verzichts wäre nicht mehr Solidarität. Weder materielle noch seelische Not würden dadurch gelindert. Die Folge wäre lediglich eine Steuerersparnis. Profitieren würden nicht die Armen und die Menschen am Rande, die dem Gott Jesu so sehr am Herzen liegen – profitieren würden hauptsächlich die Wohlhabenden , die durch sinkende Steuern immer am stärksten entlastet werden. Die Kirchen und die Gesellschaft würden nicht solidarischer, sondern unsolidarischer. Das kann nicht im Sinne des Evangeliums sein, das uns dazu ermutigt, das tägliche Brot miteinander zu teilen , schwierige Wege gemeinsam zu gehen, Not zu lindern und für Gerechtigkeit einzutreten, auch wenn es unbequem ist und uns etwas kostet.

Gespannt auf die Abstimmung vom 18. Mai

Allerdings: Mit diesem Plädoyer für die solidarische Kirchenfinanzierung als Beitrag zu einer solidarischeren Welt aufzuhören, wäre zu billig. Denn die Warnung vor der Faszination des Geldes gilt auch für jene, die damit Gutes tun wollen: «Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz». Wie es diesbezüglich steht, spürt man daran, wie wir als engagierte Kirchenmitglieder, als Theologen oder kirchliche Finanzverantwortliche auf politische und gesellschaftliche Diskussionen zur Finanzierung der Kirchen reagieren: Fühlen wir uns bedroht? Geraten wir unter Rechtfertigungsdruck? Oder können wir diese Diskussionen als Chance sehen, um sichtbar zu machen, wofür das Herz der Kirchen schlägt und wofür sie demzufolge ihr Geld einsetzen?

Ganz offen gestanden: Auf die bevorstehende Abstimmung im Kanton Zürich bin ich wirklich gespannt – und nicht so locker und innerlich frei, wie ich es mir wünschte: Es tut gut, über das nötige Geld zu verfügen, um die vielfältigen Aufgaben wahrzunehmen, um Not zu lindern und Gemeinschaft zu fördern . Auch auf finanzielle Sicherheit für die Löhne der kirchlichen Mitarbeitenden (ja, auch für meinen Lohn!) würde ich nicht leichten Herzens verzichten. Aber das Schicksal der Kirchen hängt nicht davon ab, sondern von ihrem Mut, auch in Zeiten der Kirchenfinanzdiskussionen an die Provokationen des Evangeliums zu erinnern und die Solidarität mit jenen Menschen ins Zentrum zu stellen, deren Leben von materieller oder seelischer Not gezeichnet ist. Diesen Menschen und diesem biblischen Auftrag gilt es «Sorge zu tragen», wie es die Abstimmungskampagne des ökumenischen Komitees für die Abstimmung fordert. Darum bitte ich Sie am 18. Mai ein Nein in die Urne zu legen.