Das andere Gesicht des Iran
Endlich war es soweit: Eine Reise in den Iran! Seit vielen Jahren hatte Rahel Walker Fröhlich den Wunsch verspürt, in dieses Land zu reisen. Mit ihrem Mann Dominik und der 10 jährigen Tochter wagten sie im Mai dieses Jahres den Sprung in das unbekannte Land, in den islamischen Gottesstaat, der bei uns in den Medien oft einen negativen Ruf hat. Immerhin, die Nachbarländer sind Afghanistan, Irak und Saudiarabien. Sie fragten sich ob wir sie sich dort wohlfühlen würden. Rahel Walker berichtet in unserem Blog von dieser Reise.
Kopftuch: ja oder nein?
Bei der Ankunft in Teheran hiess es, sich den Vorschriften des Landes anzupassen: ein Kopftuch für mich und meine Tochter, denn ab 9 Jahren müssen auch Kinder das Kopftuch tragen. Erwachsene Frauen zudem dunkle Kleider und Mäntel bis zum Knie. Allerdings zeigte sich schon in den ersten Tagen, dass das nicht so streng gehandhabt wird: Iranerinnen kamen auf meine Tochter zu und erklärten uns mit Zeichensprache (Englisch sprechen viele nicht), dass das Kind kein Kopftuch tragen muss. Das Kopftuchgebot wird im Alltag zumindest bei den Kindern nicht streng eingehalten. Auch die Kleider der Frauen sind oft farbig und modisch.
Religion überall im Alltag
Die Religion spielt im Iran nach wie vor eine wichtige Rolle. So ist in jedem Hotelzimmer ein Koran und ein Gebetsteppich zu finden. Das erinnerte mich daran, dass bei uns in der Schweiz früher noch in praktisch jedem Hotelzimmer eine Bibel vorhanden war. Erstaunlich ist, dass jedes Restaurant über einen Gebetsraum – der auch benutzt wird.
Strikte Trennung der Geschlechter
Was auffällt ist die strikte Trennung der Geschlechter: Frauen und Männer leben im öffentlichen Raum vor allem unter sich – ausser es sind Familien. So hat jede Metro in Teheran einen Wagen, der alleine für Frauen reserviert ist, wobei sie auch die anderen Wagen benutzen dürfen. Meine Tochter und ich setzten uns in den Frauenwagen – was für uns ein ziemliches Abenteuer war. Wir waren umgeben von schwarzen Tschadors, in welche die meisten Frauen sich hüllen – ein Zeichen dafür, dass sie religiös sind. Was auf den ersten Blick abweisend wirkt, ändert sich, sobald Frauen unter sich sind. Der Tschador öffnet sich und ein herzliches Lächeln strahlt uns entgegen: „Welcome to Iran!“.
Gerade Frauen sprachen uns in der Öffentlichkeit oft an. Sie wollten wissen, wie es uns in ihrem Land gefällt. In diesen Gesprächen war für mich spürbar, wie die iranische Bevölkerung leidet, wenn in der Welt über das eigene Land überwiegend negativ berichtet wird. Als westliche Touristen waren wir im Iran sehr willkommen, nicht primär wegen den Devisen, sondern weil sich die Einheimischen am Interesse an ihnen und ihrem Land ehrlich freuten.
Der Iran hat viel zu bieten
Der Iran hat viel mehr zu bieten als schwarze Gewänder und grimmige Mullahs:
- wunderschön gepflegte Gärten, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehören,
- Persepolis, die 2500 Jahre alte Residenzstadt der alten Perser,
- prächtige Moscheen und Grabmäler von weltbekannten Persönlichkeiten: so der biblischen Esther und des Universalgelehrten Avicenna in Hamadan oder des Poeten Hafez in Shiraz. Die Schreine von Heiligen werden von vielen Menschen besucht, denn der mystische Islam hat im Iran eine lange Tradition.
Westliches und Kulturschaffende haben es schwer
Westliche Läden und Cafés sucht man im Iran vergebens. Politisch, wirtschaftlich und religiös ist das Land noch sehr abgeschlossen. Für Kulturschaffende ist es schwierig, alles muss von der Zensurbehörde genehmigt werden. Auch die Freizeitangebote sind beschränkt. Doch die Iranerinnen und Iraner wissen sich zu helfen: Sie nehmen den öffentlichen Raum ein, indem sie überall in den Gärten picknicken.
Moschee: ein Ort des gelebten Glaubens
Auch die Moscheen sind ein Ort, wo Menschen sich einfinden. Während drei hohen Feiertagen fasteten Tausende in der grossen Moschee in Isfahan und schliefen auf Teppichen in den historischen Gebäuden. Die Moschee ist eben kein Museum, sondern ein Ort des gelebten Glaubens. Als Touristin war ich in den Moscheen willkommen. Auch durfte ich alles fotografieren – ausser dem Koran! Die heilige Schrift, das hat mein Theologinnenherz gefreut, wird im Iran noch sehr geachtet. Ich würde mir einen ähnlich respektvollen Umgang auch für unsere heilige Schrift, die Bibel, wünschen.
Christen im Iran?
Gibt es im Iran auch Christen? Ja, vor allem die Armenier, die als kleine Minderheit im Norden des Landes und in der Grossstadt Isfahan leben. Einst wurden sie vom Schah als hochqualifizierte Spezialisten in diese Stadt geholt. Juden und Christen haben im Parlament eine Vertretung. Im Alltag gibt es handfeste Diskriminierungen – allerdings traut sich niemand, darüber in der Öffentlichkeit zu sprechen.
Erkenntnisse
Im Vorfeld unserer Reise haben wir uns gefragt: Dürfen wir in ein Land reisen, wo die Menschen- und Minderheitenrechte nicht eingehalten werden?
Ja, denke ich:
- Wenn man die offiziellen Verlautbarungen der politischen und religiösen Führung kritisch hinterfragt,
- wenn man bereit ist, sich auf die Menschen und die reichhaltige und jahrtausendalte Kultur einzulassen
- und die Gemeinschaft und das Gemeinsame mit diesen Menschen sucht.
Zwei Erkenntnisse nehme ich von dieser Reise in den Iran mit:
- An Herzlichkeit sind die Iranerinnen und Iraner nicht zu überbieten und die warme Atmosphäre fehlte mir in der Schweiz noch tagelang.
- Gott ist im anderen Menschen anwesend. Das habe ich in der Begegnung mit den Iranerinnen und Iranern deutlich erlebt.
Am Dienstag, 7. Juni 19.00 erzählt Rahel Walker Fröhlich in einem interreligiösen Erlebnisbericht in der Pfarrei Bruder Klaus von ihrer Reise in den Iran.
Rahel Walker Fröhlich ist Theologin in der Pfarrei Bruder Klaus. Ursprünglich Slawistin, studierte sie Theologie. Sie vertritt den Generalvikar im Zürcher Forum der Religionen
Ich danke für diesen Beitrag zum Iran, der aus der Feder einer Frau besonderes Gewicht hat.
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